Dampfradioforum

Hallo zusammen,

nicht nur als Weihnachtsgeschenk für rundfunkhistorisch Interessierte ist das folgende Buch geeignet, sondern man kann sich das auch so mal gönnen. Ich bin vor ca. einem Jahr beim Stöbern im Internet darauf gestoßen und habe mir es dann zu Ostern geschenkt. (Gibt es u.a. bei AMAZON).

Andreas Fickers
"Politique de la grandeur" versus "Made in Germany"
Politische Kulturgeschichte der Technik am Beispiel der PAL-SECAM-Kontroverse
2007. 436 S., 30 schwarz-weiße Abbildungen, gb.
€ 49,80
ISBN 978-3-486-58178-2
Pariser Historische Studien, Bd. 78


Zitat vom Buchrücken: „Am Beispiel der gescheiterten Bemühungen, in Europa einen einheitlichen Farbfernsehstandard auszuhandeln, thematisiert diese interdisziplinär angelegte Studie die Komplexität internationaler Standardisierungsprozesse. Gleichzeitig leistet sie einen innovativen Beitrag zu einer politischen Kulturgeschichte der Technik. Technik wird als historisch gewachsene, sozial konstruierte und symbolisch aufgeladene Kulturleistung verstanden. Der historische Vergleich zwischen den beiden Hauptakteuren der Farbfernsehkontroverse Mitte der sechziger Jahre bietet einen erfrischenden Blick auf die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen im Kontext europäischer Technikentwicklung.“


Im Ernst, das Buch ist mit das beste was ich bisher zum Thema PAL, SECAM und NTSC gelesen habe wobei die Betrachtung bereits viel früher losgeht, nämlich bei der Festlegung der Zeilennormen nach dem 2. Weltkrieg. Hier tun sich wahre Abgründe auf und jeder hat irgendwie „Dreck am Stecken“. Das Ding ist spannender als viele Krimis!

Gruss
Maxwell S.

Dem kann ich nur zustimmen, befasse mich schon seit vielen Jahren mit
der Geschichte.
Insbesondere Frankreich hat sich durch eigenbrödlerische Maßnahmen hervor getan, totale Abschottung gegenüber
England, Italien und Deutschland, USA sowieso.

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Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist der größte Cleopatra, Roshana, Brona & Karry Fan im ganzen Land?
Du Fernseheumel aus Westdeutschland!

Fernsehjeck hat geschrieben:

Hierzu möchte ich anmerken, dass sich Frankreich mit dem SECAM-System nicht unbedingt - jedenfalls nicht im obigen Sinne - abgeschottet hat.

Der SECAM-Erfinder, ein französischer Fernsehpionier namens Henri de France, meldete das System im Jahr 1956 zum Patent an - zu diesem Zeitpunkt gab es PAL noch gar nicht. Ab 1957 begann man dann mit der technischen Realisierung von SECAM. (Aufgeschaltet wurde es allerdings - wie PAL - erst 1967.)

Frankreich schlug mit SECAM daher keinen Sonderweg ein, sondern den ersten Weg überhaupt zu einem Farbfernsehen, das die typischen NTSC-Fehler auf dem Übertragungsweg vermied.

Der spätere "Normenkampf" drehte sich auch nur um den Export dieses Systems; eine Rückabwicklung und Umstellung des binnen-französischen TV-Systems von SECAM auf PAL wäre wegen der hohen bereits getätigten * SPAM-Verdacht! Werbung nicht erlaubt* ohnehin nicht vernünftig - und qualitativ auch nicht erforderlich - gewesen.

Gruß Ben

Hallo,
Ich beziehe mich mit meiner Aussage auf die Entwicklung der Jahre ~1948-1952.
Nur in Kurzform:
Frankreich hielt zunächst an der Vorkriegsnorm (in der alten Literatur:
u.a. 441 Zeilen Deutsches Fernsehen zur Besetzungszeit/450 bzw. 455 Zeilen)
AM-Ton fest, bereits 1948 war jedoch klar, daß man sich nicht Europa
anschließen wolle, welche eine etwas höhere Zeilenzahl und FM-Ton plante.
Auch mit England wollte man nicht kooperieren (Vorkrieg@405 Zeilen).
Die französischen Interessen:
1.) Ein "billiges" Philips-Fernsehgerät kostete in Frankreich soviel wie ein
neuer Citroen (kleines Modell).
In England kostete das Philips-Schwestergerät (gleiche Technik) soviel,
daß ein Arbeiter es sich leisten konnte.
Diesen Markt galt es zu verteidigen, gegen die aufstrebenden Fernsehnationen Italien und Deutschland, England/USA war schon groß.
Frankreich hatte keine Exportinteressen, nur für ihre TV-Norm.
So gibt es keine französischen Fernseher in Übersee außer in Algerien
und Ländern die die franz. Norm übernommen haben.
Frankreich ist es nie eingefallen, Geräte mit einer "fremden Norm"
für Exportzwecke zu entwickeln.
Die Preissituation in den 40er Jahren war so, daß es ca. 30-40 Firmen
gab, welche Fernseher bauten, wenn auch nur in extrem kleinen Stückzahlen.
Viele dieser Firmen existierten nur 1-2 Jahre! Diese Entwicklung ist vergleichbar
mit dem deutschen Rundfunkgerätebau der 40er Jahre.
Der Markt bereinigte sich in den frühen 50ern, als den kleinen aus
Qualitätsgründen die Luft ausging.
2.)Frankreich experimentierte bereits intensiv in den Jahren 1948 mit
"HD-TV", also der späteren 819 Zeilen Norm.
Argumentiert wurde, das man auch Spielfilme in guter Qualität auf
größeren Bildröhren und Projektionsgeräten zeigen wollte.
Jetzt muß ich arbeiten....

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Du Fernseheumel aus Westdeutschland!

ja, ja, das ging schon einiges ab.......

Aber gerade diese Verquickung von Technik, Wirtschaft, Politik macht das von mir erwähnte Buch so interessant und spannend.

Was mir auch nicht so klar war:

1.) Offensichtlich war sowohl der französischen Rundfunkindustrie als auch der staatlichen Fernsehanstalt ein einheitlicher europäischer Farbstandard wichtiger als die Durchsetzung von SECAM. Nur die Regierung stand voll und ganz hinter SECAM.

2.) Sowohl PAL als auch SECAM übertragen Informationen, die bei NTSC gleichzeitig übertragen werden nacheinander und benötigen deshalb eine Verzögerungsleitung. Da die Entwicklung von SECAM wesentlich früher als die von PAL begann setzte PAL teilweise sehr stark auf SECAM-Prinzipen auf. Dies bedeutete, dass zum Betrieb von PAL Lizenzengebühren für SECAM-Patente fällig wurden. (Auf die man aber später aufgrund der guten deutsch-französischen Beziehung verzichtete.)

Insgesamt eine spannende Geschichte....... jetzt erstmal frohe Weihnachten!

Gruss
Maxwell S.