dieser Thread ist wieder mal ein Beleg dafür, dass persönliche Gespräche doch ergiebiger und weniger missverständlich sind als das Posten in Foren.
Natürlich ist nichts dagegen einzuwenden, bei Restaurieren Kompromisse einzugehen, auch bei museumskonformen Restaurierungen werden Kompromisse eingegangen, wenn das Ziel die Funktionsfähigkeit ist.
Trotzdem bedeutet Restaurierung nicht, sich mit modernen Mitteln ein Wunschbild eines Rährenradios aufzubauen, sondern einen verlorengegangenen Originalzustand wieder herzustellen. Ergänzt wird diese Definition dadurch, dass Kompromisse so ausgeführt werden sollten, dass man sie bei Bedarf wieder rückgängig machen kann. Ich bin sicher kein Dogmatiker, finde aber, dass man nicht völlig aus den Augen verlieren sollte, dass Röhrenradios auch Zeugen von vergangenen Epochen sind - man sollte wenigstens versuchen, die Originalsubstanz zu erhalten, oder bei Erneuerungen herauszufinden, wie es damals gemacht wurde.
Ein gutes Beispiel dafür ist für mich halt das Lackieren von Gehäusen. Niemand macht sich die Mühe, mal herauszufinden, wie damals im Werk die Gehäuse lackiert wurden. Man sucht sich entweder im Baumarkt die Mittelchen zusammen, und versucht mehr oder weniger erfolgreich, eine schöne Optik hinzubekommen, oder man hat eine Lackierkabine, und macht sofort Tabula rasa. Der richtige Weg wäre aber für die meisten Radios von 1952 bis etwa 1959, die Gehäuse mit eingetöntem Nitro-Holzlack ( bei Clou nennt sich das Zeug HT-Lack ) zu spritzen, und danach zu polieren. Diese Methode, damals Standard im Möbelbau und heute für jeden zu realisieren, der eine eigene Garage hat, und bereit ist, 150 Euro für Equipment auszugeben, wird quasi überhaupt nicht diskutiert oder angewendet. Und das, obwohl sie noch den Vorteil hat, das Furnier nicht zu zerstören, wie es tränkende Methoden tun ( lasieren, ölen, beizen ). Ich weiß nicht, ob es Euch schon mal aufgefallen ist - die meisten Radios der Fünfziger waren original sehr dunkel, wahrscheinlich, weil man Fehler im Furnier so besser verstecken konnte. Hell oder natur kostete bei vielen Herstellern Aufpreis. Die restaurierten Geräte hingegen sind fast alle hell, weil scheinbar niemand mehr auf dem Schirm hat, dass man Lacke auch eintönen kann. Mich hat es seinerzeit einen ganzen nachmittag Telefoniererei gekostet, bis ich mal auf die Idee kam, direkt bei Clou anzurufen, nachdem ich keine Lust mehr hatte, mich vom nächsten Lasurschreiner für bekloppt erklären zu lassen. An einem Testbrett mit einer Airbrush habe ich das Lacksystem schon getestet - sieht aus und fühlt sich an wie früher, ganz anders als die in Ganzplastik gehüllten Gehäuse von Radios, die bei Ebay für jenseits 500 Euro angeboten werden. Und der Vorteil ist noch - wenn man das Furnier mit Schnellschliffgrund vorbehandelt und glattschleift, bekommt man den Lack immer wieder runter, und das Furnier darunter hat seine Naturfarbe behalten.
Ein weiteres Beispiel ist das Magnetsystem in meinem Uralt Rex. Es ist ein erheblicher Aufwand, solche Systeme a) überhaupt zu finden und b) sie so zu restaurieren, dass sie klingen wie früher. Die Systeme sind u.a. deshalb so selten, weil sie auch von Liebhabern einfach rausgeworfen und gegen modernere ausgetauscht wurden. Bei der 9010 Truhe ist es sogar so, dass die meisten angebotenen einen ganz anderen Plattenspieler drin haben, und die Verkäufer diesen "Austauschservice" noch als preissteigernd ansehen. Ich finde aber, wenn man so ein Gerät funktionsfähig restauriert, dann doch auch, um zu erleben, wie es früher geklungen hat, und nicht, wie so ein Gerät klingen würde, wenn man es mit 30 Jahre jüngeren Teilen modifiziert. Auch solche Geräte werden als restauriert angeboten, für mich ist das keine Restaurierung.
Ich könnte jetzt noch mehr Beispiele aufzählen, die alle die selbe Ursache haben - dass die Leute nicht bereit sind, ein Minimum an Historienforschung zu betreiben, bevor sie loslegen. Ich hoffe, jetzt etwas verständlicher gemacht zu haben, was ich meine.
Gruß Frank
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