Hallo,
ich würde hier mal gerne ein paar Meinungen einholen.
Im Prinzip geht es darum, welcher Aufwand beim Restaurieren machbar, tragbar und sinnvoll ist.
Ich bin im Internet in den letzten Wochen und Monaten so einiges herumgekommen. Im wesentlichen ging es dabei darum,
herauszufinden wie da im einzelnen vorgegangen wird.
Ich meine nun nicht eine simple Reparatur bei der es darum geht lediglich die Funktionsfähigkeit wiederherzustellen, - ich meine vielmehr die Vorgehensweise bei der mit allen Mitteln versucht wird gleichzeitig den Originalzustand beizubehalten, oder notfalls, falls das Gerät zwischenzeitlich verbastelt wurde, diesen wiederherzustellen.
Ich möchte, damit es nicht zu langweilig wird, gleich mal ins Detail gehen.
Hauptsorgenkinder sind ganz offensichtlich Kondensatoren und Gleichrichter.
Diese Fälle verdienen es, getrennt behandelt zu werden.
Fangen wir mal mit den Kondensatoren an.
Einige funktionieren auch nach Jahrzehnten noch. Das sind vornehmlich die mit Keramik oder Glimmer als Dielektrikum.
Bei Folienkondensatoren ist es schon problematischer.
Mit hochwertigen Kunststoffen war man vor 50 Jahren noch nicht so weit.
Und noch früher erst recht nicht.
Wie es um die Papierkondensatoren steht, wissen wir alle. Diesen Kondensatoren, - oft liebevoll Teerklumpen oder Sahnebonbons genannt, setzen der Zahn der Zeit, hohe Temperaturen und nicht zuletzt hohe Spannungsbelastung gewaltig zu.
Ein Austausch gegen moderne Typen – womöglich gar radiale Typen oder solche im Rastermaß für Platinenbestückung – wird teilweise schon als Blasphemie bezeichnet.
Und, - na ja, - da ist vielleicht sogar was dran. Aber was soll man tun?
Manchmal gelingt es, die modernen Typen im Gehäuse der ursprünglichen Bauteile unterzubringen.
Wie sieht es dann aus? Ist das dann zulässig? Sollte gehen, - oder?
Bei Elkos ist es ähnlich. Hier tauchen hin und wieder sogar alte, ungebrauchte Originalelkos auf.
Aber, - kann man denen trauen?
Wenn das Formieren nach 50-jähriger Lagerung funktioniert, ist das dann gleichzeitig der Beweis daß auch der Elektrolyt völlig intakt ist? Man sieht nicht hinein. Diese Frage lässt sich nicht schlüssig beantworten.
Auf der anderen Seite findet man ab und zu Elkos aus neuer Produktion, die aber im alten Becherdesign gehalten wurden.
Nun steht man vor der Wahl.
a) Bei den Becherelkos wurden durch „entkernen“, sprich aushöhlen, schon gute Tarnungserfolge erzielt. Das heißt dann: innen neu (sieht aber keiner!), - außen alt, oft verbeult und verkratzt. Oberfläche matt. Polieren geht nicht, sonst ist der Aufdruck weg.
oder lieber
b) Man verwendet einen völlig neuen Elko im Nostalgiedesign, der nicht nur innen, sondern auch außen neu ist. Kostet zweifellos wesentlich weniger Zeit und Arbeit. – Zu überlegen wäre natürlich eine „künstliche Alterung“ des Äußeren. Naja, - vielleicht doch nicht.
Nun kommen wir zu den Gleichrichtern. Und nun wird’s tatsächlich schwierig.
Ich rolle den Fall mal von rückwärts auf und beginne mit den sog. Trockengleichrichtern.
In den Röhrengeräten der 50er Jahre tummeln sich ausschließlich Selengleichrichter, wenn im Zuge des Fortschritts auf eine Gleichrichterröhre verzichtet wurde. Leider geht es dieser Gleichrichtertype auch nicht so viel besser wie den Elkos, sie bauen im Laufe der Zeit ab.
Mit dem Ersatz ist es aber so eine Sache. Heutzutage verwendet man Siliziumgleichrichter, und die haben gravierende Unterschiede zu ihren Verwandten aus Selen. Tauscht man die beiden Typen einfach so gegeneinander aus, so wird man feststellen dass man eine deutlich höhere Anodenspannung erhält. Daß man das nicht so belassen kann, liegt auf der Hand.
Zum einen würden sämtliche Anodenspannungen höher, was dann zu einer erhöhten Belastung der Röhren führen würde. Zum anderen können sich durch die veränderte Spannung die Arbeitspunkte verschieben. Und außerdem könnten sich diverse Kondensatoren, - vorzugsweise Lade- und Siebelkos – der Grenze ihrer Spannungsbelastbarkeit nähern. Um das abzuwenden müsste man einen Widerstand einbauen. Einen Widerstand, der vorher nicht da war, und der eigentlich nicht in die Originalschaltung hineingehört. – Nur, - ist denn so was erlaubt?
Konstruieren wir mal den Fall, dass der Siliziumgleichrichter bereits in der Mitte der 50er Jahre mit seinen heutigen Eigenschaften einsatzbereit gewesen wäre. Was hätten dann die Radio-Konstrukteure wohl gemacht? – Ganz einfach! Sie hätten den Netztrafo mit weniger Windungen für die Anodenspannung versehen und damit die gleichzurichtende Spannung gesenkt. Somit hätte alles wieder gestimmt. Und in Ordnung wäre das natürlich auch gewesen, denn, schließlich hätte das ja der Gerätehersteller gemacht. Dann ist alles original.
Kann aber nun ein Reparateur und Restaurierer nun dasselbe machen? Wohl eher nicht !
Abgesehen davon, dass es äußerst schwierig ist den Netztrafo „umzubauen“, wäre das wohl die Größte aller Todsünden.
Es sei denn, der Umbau bliebe völlig unbemerkt. Was aber wohl kaum machbar ist.
Ok, - lassen wir mal den Trafo wie er ist, und bauen schweren Herzens einen Zusatzwiderstand ein.
Was ist denn nun mit der Optik, wenn man auf Silizium umsteigt?
Egal ob man nun einen Blockgleichrichter oder einzelne Dioden verwendet, - auf jeden Fall sieht der Ersatz völlig anders aus als das Original.
Wir treffen bei den Selengleichrichtern auf drei verschiedene Bauformen.
a) Den Flachgleichrichter
b) Den Säulengleichrichter mit vielen runden oder eckigen Platten
c) Den Stabgleichrichter, meist ein schwarzer Zylinder.
Beim Stabgleichrichter ist es am einfachsten mit „Tarnen und Täuschen“. Im Internet finden sich Bilder, wo ein solcher Gleichrichter ausgeräumt und neu befüllt wird. Mit Siliziumdioden und den dadurch notwendig gewordenen parallelgeschalteten Scheibenkondensatoren.
Mit etwas Geschick sollte sich vielleicht auch noch der oben erwähnte Widerstand dort unterbringen lassen.
Beim Säulengleichrichter ist das alles nicht so einfach. Der besteht nur aus den Platten und einer Gewindestange in der Mitte. Da ist kein Volumen da, das man verwenden könnte.
Dasselbe Problem ist es beim Flachgleichrichter. Volumen ist in geringem Maß vorhanden, aber keines das man ausräumen könnte. Die einzige Möglichkeit die mir hierzu einfällt ist die, dass man die Teile dort belässt wo sie sind, und unter dem Chassis möglichst unauffällig irgendwo den neuen Gleichrichter unterbringt. Einschließlich des Widerstandes.
Mein Wunsch ist nun eigentlich, dass möglichst viele Mitglieder dieses Forums zu den aufgeführten Problemen ihre Meinungen und Erfahrungen kund tun.
Was ist machbar, - was nicht. Was ist „erlaubt“, - was nicht.
Wie weit ist man bereit zu gehen. Wo liegt die Grenze zwischen unbedingter Erhaltung des Originalzustandes und Wiederherstellung der Funktion.
Ich hoffe auf rege Beteiligung.
Gruß
Rocco11
Zuletzt geändert von Rocco11 am Fr Mär 21, 2008 12:10, insgesamt 1-mal geändert.
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