Heute möchte ich mal eine Rezension eines sehr bekannten DDR-Einstiegsbuches von
Hagen Jakubaschk für "Kinder ab 13 Jahren" abgeben, dessen spätere Version von 1983 ich tatsächlich als 13Jähriger verschlungen habe. Da im 1983er Theorieteil der Einstieg über Röhren beibehalten wurde, legte dieses Buch bei mir damals wohl auch den Grundstein für die Faszination, die Röhren auf mich ausüben.
Der Kurs dieses inzwischen recht raren Buches, inbesondere der 1964er Urversion, liegt inzwischen bei über 20 Euro.
Gestaltung / Illustrationen:Die 2-farbigen Strichzeichnungen (rot-schwarz auf weiß) von Karl-Heinz Bogdanski wirken lebendig und zeigen entweder experimentierende Kinder oder Menschen in Alltagssituationen, die in Bezug zu elektrotechnischen Erklärungsmodellen des Buchtextes stehen. Die Gesichter wirken trotz der spartanischen Zeichentechnik erstaunlich menschlich. Die Abbildungen, die Funktionsprinzipien elektrotechnischer Baugruppen und Bauelemente nahebringen sollen, sind sehr übersichtlich. Man merkt, es war eine Künstlerhand, die sie gezeichnet hat.
SchreibstilJakubaschk schreibt hier konsequent in der wir-Form. Man könnte gehässig sagen, das hat was von der Sprache einer Kindergarten-Erzieherin
Nach kurzer Eingewöhnung fühlt man sich wieder in die unbeschwerte Kindheit zurückversetzt.
Sätze mit AHA-Effekten schreibt er konsequent mit Ausrufezeichen!
Am Vokabular merkt man, daß es sich noch um Deutsch alter Schule handelt. "Zorn", "entbehrlich" u.s.w. trifft man heutzutage kaum noch an.
Ein mangelhaftes KapitelWährend die Triode noch sehr ausführlich und dabei trotzdem recht kindgerecht beschrieben wurde, versäumt es Jakubaschk, den Weg zur Pentode richtig aufzubereiten.
Im Kapitel "Mehrgitterröhren" wird (von der Triode kommend) zunächst einmal auf das Bremsgitter eingegangen, was aber chronologisch und kausal falsch ist.
Anschließend wird auf die Gitter-Anoden-Kapazität und deren Bedeutung für HF eingegangen, aber die konkrete Schadwirkung dieser Kapazität, die unerwünschte Gegenkopplung und deren Folge (Verringerung der Eingangsimpedanz) wird ignoriert.
Anschließend wird das Schirmgitter als Lösung zur Beseitigung dieser Kapazität vorgestellt und der Eindruck erweckt, bei der Tetrode und Pentode handelt es sich um eine spezielle HF-Röhre.
Auf den Durchgriff und die statische Wirkung des Schirmgitters, nämlich Unterbindung des Durchgriffs und damit eine enorme Steigerung der Spannungsverstärkung schon ab 0 Hz, wird nicht eingegangen. Dabei läßt sich der Durchgriff prima mit einem Experiment erklären, indem man bei einem Triodenverstärker Gitter und Anode vertauscht (natürlich so betrieben daß das Gitter nicht zerstört wird) und dann als AHA-Effekt feststellt, daß der Verstärker trotzdem noch ein klein wenig funktioniert, weil die Anode auch wie ein Steuergitter wirkt indem sie durch das Gitter hindurch greift.
Durch dieses mangelhafte Kapitel hatte ich jahrelang eine falsche Vorstellung von der Pentode.
BemerkenswertDas Bemerkenswerteste aus heutiger Sicht ist, daß für Kinder und Jugendliche im Praxisteil ganz selbstverständlich Röhrenschaltungen mit > 200V Anodenspannung, darunter sogar ein Radio mit Allstromnetzteil, zum Nachbauen vorgestellt werden.
Immerhin erfolgt der Hinweis, daß das Radio für den Alltagsbetrieb in ein geschlossenes Holzgehäuse einzubauen ist und alle Drehachsen mit isolierenden Knöpfen zu versehen sind und daß das offene Chassis nicht unbeaufsichtigt (sic!) laufen darf. Der Heizkreis-Vorwiderstand soll bitte auf eine extradicke Asbest-Unterlage montiert werden.(sic!)
Man merkt, das war noch die Zeit, als man ohne Gurt, Airbag und Knautschzone Auto gefahren ist.
Heute würde ein Bastelbuchautor schon verklagt, wenn er nicht bleifreies Lot vorschreiben würde. Ach ja, und nicht warnen würde daß die Lötkolbenspitze heiß ist.