Hallo zusammen,
da ich nur einen Kanal als Brettschaltung aufgebaut habe, mußte ich mit einem Belastungstest zunächst ermitteln, welche Spannungen vom Netztrafo bei voller Belastung mit zwei Kanälen zu erwarten waren.
Der Netztrafo hat einen M102a-Kern und kann damit dauerhaft ca. 100W sekundär abgeben. Die 8 Röhren einer Stereoversion benötigen gut 4A Heizstrom oder ca. 25W Heizleistung. Es bleiben also 75W übrig für beide Kanäle oder knapp 38W pro Kanal. Im Entwurf der Schaltung waren 15mA Anodenstrom pro Kanal für die beiden Vorstufen vorgesehen. Das sind ca. 8W bei einer Spannung von +/-270V. Für eine Endstufe bleiben dann noch ca. 30W. Etwa 30..35mA Ruhestrom pro Endröhre oder insgesamt ca. 100mA Ruhebetriebsstrom pro Kanal kann man sich damit leisten. Die gesamte Sekundär-Leistung liegt dann bei ca. 80W ohne Signal und man hat noch eine kleine Reserve für höhere Aussteuerung.
Der Test ergab dann bei einem Gesamtstrom von 200mA eine Betriebsspannung von 270V und eine Heizspannung von 6.3V.
Im folgenden habe ich die Brettschaltung nur noch mit einem vorgeschalteten Regeltrafo betrieben, mit dem man diese niedrigeren Spannungen einstellen konnte.
Mit 30...35mA Anodenruhestrom kann man die Endröhren im Klasse-AB-Betrieb nutzen. Bei der EL86 benötigt man dafür ca. -20V Gitterspannung bei 250V Anodenspannung und 200V am Schirmgitter. Da ich zunächst davon ausgegangen bin, daß ich keine gut gepaarten EL86 finden würde, habe ich die Gitterspannnung durch separate Kathodenwiderstände erzeugt. Damit lassen sich unterschiedliche Anodenströme gut ausgleichen um den AÜ-Kern nicht zu magnetisieren. Der Spannungsabfall am Kathodenwiderstand reduziert auch die Anoden-Kathodenspannung auf die gewünschten 250V und stabilisiert den Arbeitspunkt durch seine gegenkoppelnde Wirkung.
Bei AB-Betrieb steigt der Anodenstrom mit steigender Aussteuerung. Das verlagert den Arbeitspunkt der Röhre, wenn dieser nur durch einen Kathodenwiderstand eingestellt wird und verringert die Betriebsspannung. Den Arbeitspunkt kann man zumindest für kurzfristig hohe Aussteuerung durch einen ausreichend großen Parallelelko (C11, C12) konstant halten. Die Änderung der Betriebsspannung wird minimiert, wenn man die Endstufen direkt am Ladeelko, also ohne Siebwiderstand, anschließt und hierbei eine möglichst große Kapazität einsetzt. Im Testaufbau habe ich dafür zwei gerade vorhandene Elkos mit 470uF/200V in Serie geschaltet.
Auch die Schirmgitterspannung muß konstant gehalten werden. Da der Schirmgitterstrom bei momentaner Aussteuerung bis zu sehr niedrigen Anodenspannungen exponentiell ansteigt, muß auch hier dafür gesorgt werden, daß die Spannung nicht über einen zu hohen Widerstand zugeführt wird. In der Bastelkiste fanden sich noch zwei 22V-Leistungs-Zenerdioden, die ich hier einsetzen konnte. Damit erreicht man dann auch die benötigte Kathoden-Schirmgitter-Spannung von etwa 200V.
Für die Vorstufen habe ich eine Gleichspannungsheizung vorgesehen. Unbedingt notwendig ist das nicht, es hilft aber Brumm zu reduzieren. Den Heizspannungsgleichrichter habe ich selbst gebastelt aus drei Schottky-Leistungs-Doppeldioden, gerettet aus defekten Schaltnetzteilen. Das reduziert den Spannungsverlust gegenüber Si-Dioden um die Hälfte. Die Si-Diode hinter dem Gleichrichter reduziert die Heizspannung nochmal um ca. 0.8V, sie ist nur bei Einkanal-Betrieb nötig. Für eine Gleichspannungsheizung von vier Endröhren reichte die Leistung der Heizwicklung nicht aus.
Für den Verstärker wurde eine Eingangsempfindlichkeit von ca. 0.4..0.5V für Vollaussteuerung angestrebt. Die Leerlaufverstärkung habe ich zunächst etwas höher als nötig gewählt um durch schrittweises Verstärken der Gegenkopplung herauszufinden, wieviel Gegenkopplung mit dem gegebenen AÜ möglich ist, ohne die Stabilität des Verstärkers zu gefährden. Dies ist ein wechselseitiger Prozess. Durch Vergrößerung der Kapazität C3 kann man die Leerlaufverstärkung bei höheren Frequenzen herabsetzen. Das ermöglicht stärkere Gegenkopplung bei mittleren Frequenzen aber auch eine niedrigere obere Grenzfrequenz beim Frequenzgang. Die Frequenzgang-Abbildung unten zeigt den gefundenen Kompromiss.
Die Gesamtverstärkung vom Eingang bis zur Sekundärseite des AÜ beträgt jetzt ca. 16V/V oder 24dB. Etwa 20dB Gegenkopplung erwiesen sich als möglich. Damit sollte die Leerlaufverstärkung nicht viel größer als 160V/V oder 44dB bei mittleren Frequenzen sein für stabilen Betrieb ohne Schwingneigung. Das Anpassen der Leerlaufverstärkung geschieht durch paarweises Anpassen der Kathodenwiderstände R4/7 und R12/15. Diese bewirken eine lokale Gegenkopplung mit der man die Stufenverstärkung einstellen kann.
Alle Widerstände in den Vorstufen wurden möglichst niedrig gewählt. Das verringert den Einfluß von Streu- und Röhrenkapazitäten. Die Phasenverschiebung des AÜ bei höheren Frequenzen sollte durch die Vorstufen nicht noch vergrößert werden.Für den unteren Frequenzbereich gilt im Prinzip das gleiche. Auch hier sollte der Frequenzgang der Vorstufen deutlich über den Übertragungsbereich des AÜ hinausgehen. Die relativ großen Werte der Koppelkondensatoren waren notwendig. Kleinere Werte verursachten schnell Schwingungen unterhalb des Hörbereichs (Pumpen, "motorboating").
Das RC-Glied R1C2 liegt außerhalb der Gegenkopplungsschleife. Es trägt nicht zur Phase innerhalb der Schleife bei. Ich habe es eingefügt, um unerwünschte Hf-Anteile im Eingangssignal ab etwa 60kHz zu unterdrücken.
Für niedrigeren Brumm am Ausgang habe ich die Vorstufen noch einmal zusätzlich gesiebt.
Bild1 Frequenzgang
Dateianhang:
EL86_Frequ+Leerl+maxL.png
Schwarz: Leerlaufverstärkung.
Grün: Frequenzgang mit Gegenkopplung
Rot: maximale Leistung bis zum Einsetzen der Übersteuerung, null dB entspricht hier einer Leistung von 8W.
Die Phase der Leerlaufverstärkung kann man mit einem Zweistrahloszi ganz gut messen. Im Phasenverlauf, wie auch im Verlauf der Leerlaufverstärkung macht sich die Resonanz des AÜ bei ca. 40kHz bemerkbar.
Um Eigenschwingungen des Verstärkers zu vermeiden, muß die Leerlaufverstärkung mittels C3 soweit abgesenkt werden, daß sie bei einer Phase von 180° unter die 24dB-Marke gefallen ist.
Dateianhang:
EL86_HfPhase+LeerldB_2.png
Bild2 Phase und Leerlaufverstärkung
Dateianhang:
EL86_Rechteck_02.jpg
Bild3 Rechtecksignal
Wiedergabe von Rechtecksignalen . Von links: 20Hz, 100Hz, 1kHz, 10kHz. Jeweils ca. 3Vss an 4 Ohm.
Die recht kräftige Resonanz bei etwa 40kHz liegt so nah am Hörbereich, daß sie sich nur schlecht unterdrücken läßt. Bemerkbar macht sich das bei der Wiedergabe von Rechteck-Signalen. Mit dem Kondensator C6 läßt sich das Bild am Oszilloskop verbessern, allerdings auf Kosten von Frequenzgang und Stabilität. Der Einsatz eines Kondensators C6 an dieser Stelle sollte mit Vorsicht erfolgen. Er dämpft zwar die Resonanz, macht das aber durch verstärkte Gegenkopplung bei hohen Frequenzen. Das erhöht die Neigung des Verstärkers zu Eigenschwingungen und reduziert die obere Grenzfrequenz.
Bei 20kHz oberer Grenzfrequenz kann ein 10kHz-Rechtecksignal natürlich nur stark verschliffen wiedergegeben werden. Einem Musiksignal ähnlicher ist ein 'Tonburst' mit z.B. 3 Sinusschwingungen. Das folgende Bild zeigt, daß ein 10kHz-Tonburst noch im wesentlichen einwandfrei wiedergegeben wird.
Dateianhang:
EL86_TBc.png
Bild4 Tonburst
Tonburst mit 1kHz (links) und 10kHz , jeweils ca. 5Vss an 4 Ohm.
Definiert man die maximale Ausgangsleistung als die, bei der der Klirrfaktor 10% erreicht, so waren bei 1kHz ca. 7.5W erreichbar. Hier macht sich aber der Effekt bemerkbar, daß sich bei Dauerton-Aussteuerung der Arbeitspunkt in Richtung höhere Verzerrung verschiebt.
Bei ca. 6W Ausgangsleistung hat sich der Arbeitspunkt noch nicht merklich verschoben. Hier liegt der bei 1kHz gemessene Klirrfaktor bei 0.45%. Bei 1W Ausgangsleistung geht er zurück auf 0.04%.
Der gemessene Signal/Störabstand beträgt 84dB bezogen auf 7.5W Ausgangsleistung. Das entspricht ca. 0.34mVeff Rausch und Brumm sekundärseitig.
Wie geht es weiter?
Ich habe mich noch nicht entschieden, ob ich jetzt die Stereoversion aufbaue oder das Ganze doch an einen ernsthaften Interessenten zum Weiterbau verschenke. Einer hat sich schon gemeldet
Gruß
Heinz