Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik für frühe Transistorgeräte bis in die 1970er Jahre.
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Bernhard W
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Bernhard W »

transita_fan hat geschrieben:...Also, die Bauteile der Klangregelung sind in Ordnung. Selbst wenn ich die Klangregelung komplett abtrenne, wird es mit den Höhen nicht besser.
Auch C81 und R49 habe ich geprüft, alles ok.
Dann bleibt nicht mehr viel übrig.
C57 und C75 (je 250 µF) wirst du schon erneuert haben. Bei alten Elkos kann der Serienwiderstand bei hohen Freuenzen steigen, dann wird in dieser Schaltung die Gegenkopplung der hohen Töne stärker (bei C75 abhängig von der Polung der Übertragerwicklungen, hoher Widerstand kann hier auch zur Mitkopplung und zum Schwingen führen).
C74 halte ich hier für unkritisch, bei dem merkt man steigenden Serienwiderstand erst, wenn er in den Bereich 10 kOhm kommt.

T5 ist auch unverdächtig, er arbeitet ohnehin mit Spannungsverstärkung = 1
T6 dagegen arbeitet mit voller Verstärkung (30...75). Im Valvo-Datenblatt steht als obere Grenzfrequenz 10 kHz @ IE = 3 mA. In dieser Schaltung wird er mit IE = 1 V / 560 Ohm = 1,8 mA betrieben. Vermutlich ist bei diesem etwas geringerem Strom auch die obere Grenzfrequenz etwas geringer.
Ist der Ruhestrom von T6 mit R36 richtig eingestellt?
Ändert sich die Höhenwiedergabe, wenn man den Ruhestrom ändert? (halber bis doppleter Wert, also 0,5 V bis 2 V an R38)
transita_fan hat geschrieben:... Am Ende suche ich einen Fehler, wo keiner ist, und der Klang ist beim U60 eben schlechter.
Das kann durchaus sein.

Bernhard
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Rosel »

Warum baut man in ein UKW-Gerät mit Übertragungsbandbreite bis 15KHz im NF-Teil Transistoren mit einer oberen Grenzfrequenz von max. 10 KHz ein?

Rosel
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transita_fan
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von transita_fan »

Ich habe jetzt mal einen Frequenzgenerator an den Tonbandeingang angeschlossen, bei 10kHz hört man am Lautsprecher fast nichts mehr.

@Bernhard: Das scheint sich mit deinen Angaben bezüglich der Grenzfrequenz ganz gut zu decken. Danke für deine Tipps, werde demnächst das Radio nochmal aufschrauben und weiter testen, das lässt mir irgendwie keine Ruhe...
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von radio-hobby.de »

@ Rosel:
Vermutlich (1) waren preislich erschwingliche Transistoren damals nicht mit besseren Grenzfrequenzen zu bekommen, (2) waren die Hörer in der Masse den Langwellen/Mittelwellen-AM-Klang ohne Höhen gewöhnt, und der Zeitgeschmack war dementsprechend, (3) fehlen diesen kleinen Koffer-Geräten ja auch die Bässe, wenn man sie mal mit großen Röhrengeräten vergleicht, und wenn schon die Bässe fehlen, hat man zum Ausgleich auch an den Höhen gespart.

Etwas später, in den 60-er Jahren hat man in Deutschland noch mit Holzgehäusen (Beispiel: 1965 Grundig Ocean Boy 205 Transistor 3000) recht erfolgreich versucht, den Klang in Richtung der Bässe zu verbessern, und hat dem genannten Gerät dann auch einen kleinen Hochton-Lautsprecher gegönnt, der jedoch nur sehr zurückhaltend vor sich hinzirpt. Ich glaube, die Hörgewohnheiten waren damals die Leitschnur. Radiohören sollte gemütlich sein, und da passten keine schrillen Töne.

Als man dann in den 70-er Jahren praktisch ausschließlich noch Plastikgehäuse hatte, war UKW etabliert, der Hörergeschmack wollte HIFI. Da das mit den kleinen Gehäusen nicht geht, versuchte z.B. Grundig (Concert Boy 210, 1970) durch Lautsprecher mit größeren Magneten und mit Bass- und Höhen-betonenden Klangreglern mehr schlecht als recht das fehlende Holz auszugleichen und den Klang "aufzupolieren". Inzwischen gab es viel bessere Germaniumtransistoren für die Lautsprecher-Endstufe (AC 187/188, AD 161/162), und als Kleinleistungstransistoren wurden meist nur noch Siliziumtransistoren mit sehr viel höheren Grenzfrequenzen eingesetzt.

Nach meinem Hörempfinden kamen die Transistor-Radiogeräte der hiesigen Firmen mit richtig spitzen, lauten Höhen und ausgeprägt fehlenden Bässen erst in den 80-er Jahren auf den Markt (ein vermutlich aus Japan stammender höhenbetonter Hörgeschmack, den man bei japanischen Transistortaschenradios schon Ende der 60-er be"wundern" konnte), weil die Kofferradio-Geräte dann zunehmend nur noch in Fernost produziert wurden und die dortigen Entwickler wohl den dortigen Hörgeschmack eingebaut haben. Oder dann die Ghetto-Blaster, die praktisch gar keine Töne im Mitteltonbereich mehr wiedergegeben haben.

Viele Grüße
Georg
Ein guter Irrtum braucht solide Fehlannahmen. :wink:
Bernhard W
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Bernhard W »

radio-hobby.de hat geschrieben:Vermutlich ... waren preislich erschwingliche Transistoren damals nicht mit besseren Grenzfrequenzen zu bekommen ...
Ja. Transistoren waren damals ganz neue Bauteile. Neben geringer Grenzfrequenz hatten sie auch geringere Verstärkung als heute. Man hätte mehr Transistoren verwenden müssen, sie waren aber auch teuer. Also hat man die Verstärkung ausgereizt und auf verstärkungsreduzierende Gegenkopplung oft verzichtet oder nur schwach gegengekoppelt.

Dazu kommt, dass die Schaltungstechnik neu war und die Erfahrung noch gering. Mit Transistoren konnte man endlich kleine, tragbare Geräte mit relativ langer Spieldauer herstellen. Die Nachfrage war groß und die Geräte mussten schnell auf den Markt kommen. Viel Zeit zum Optimieren der Schaltungen blieb da nicht. Die Schaltungen reiften von Modell zu Modell immer etwas weiter.

Bernhard
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Rosel »

Ich habe einmal meinen Nordmende Conder (MW/UKW) getestet, trotz OC 74 und OC 75 sehr gute Wiedergabe der Höhen. Das Gerät ist auch Baujahr 61.

Rosel
Bernhard W
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Bernhard W »

Rosel hat geschrieben:Ich habe einmal meinen Nordmende Conder (MW/UKW) getestet, trotz OC 74 und OC 75 sehr gute Wiedergabe der Höhen. Das Gerät ist auch Baujahr 61.
Hallo Rosel,

die Schaltung vom Nordmende Condor 1/608 habe ich mal angesehen. (Das ist der einzige Nordmende-Condor-Schaltplan den ich habe.)

Dessen NF-Schaltung ist besser ausgelegt: Der Vorverstärker besteht auch aus zwei Transistoren. Aber beide arbeiten mit Spannungsverstärkung (Emitterschaltung) und zusätzlich NF-Gegenkopplung. Die kann man sich leisten aufgrund der höheren Spannungsverstärkung. Außerdem benötigt die Schaltung keinen Arbeitspunkt-Abgleich, die Ruheströme stellen sich durch Gleichstrom-Gegenkopplung automatisch ein.

Beim Pinguin 60 arbeitet der erste Transistor in Kollektorschaltung. Die hat zwar einen hohen Eingangswiderstand, dafür keine Spannungsverstärkung. Die Spannungsverstärkung leistet allein der zweite Transistor, aus dem man dann das Maximum herauskitzelt, also gar keine Gegenkopplung, weder für die NF noch den Ruhestrom (Arbeitspunkt).

Bernhard
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Re: Akkord Pinguin U60: Es fehlen die Höhen

Beitrag von Rosel »

Hallo Bernhard,

danke für die Erklärung.

Rosel