Es begab sich aber zu der Zeit, als mein tragbares Kassettenabspielgerät mit UKW-Stereo-Radioteil, was ich einst mit acht Jahren zu Weihnachten bekam schwächelte und der Batteriekonsum meinen Eltern mißfiel. Da traf es sich gut, dass Geburtstag und Weihnachten - die bei mir dicht aufeinander treffen - gerade vorbei waren und etwas Geld in der Kasse lag. Meinem Wunsch nach einem "richtigen" Radio konnten meine Eltern nun nichts mehr entgegensetzen und so durfte ich im Winter 1987 oder Anfang 1988 beim "massa" in Kaiserslautern für DM 98,- also mein erstes netzbetriebenes Radio kaufen.
Soviel war klar: Es musste Stereo haben, eine Klangregelnung und vor allem ein Kassettenlaufwerk mit Aufnahme-Funktion, sowie ein eingebautes Mikrofon und die Möglichkeit es Batteriebetriebs besitzen. Meine Eltern beschränkten das Budget auf 100DM und da gab's nur den Philips D8070, der da stapelweise bei eben dem besagten massa-Markt in der Rundfunk- und Fernseh-Abteilung stand.
Mein (drei Jahre älterer) Bruder vertrieb sich derweil die Zeit bei den Computern - er interessierte sich für Soft- und Hardwarezubehör für seinen Amiga 500.
Ja auch sowas gab's damals im Kaufhaus...
Die meisten von Euch können sich sicher an solche einschneidenden Erlebnisse erinnern. So sehe ich mich immernoch vor meinem geistigen Auge, wie ich bereits im Flur meines Elternhauses das Radio auspacke und an der erstbesten Steckdose ausprobiere. Für den Rest das Abends war ich nicht mehr zu sehen...
So diente das Radio zum Anhören der SWF1-Hitparade, in der ich noch die letzten großen Hits der neuen deutschen Welle mitbekam, als Abspielgerät für meine bescheidene Benjamin-Blümchen-Sammlung, von Captain Blitz und vor allem der Jan Tenner-Kassetten, die mein Bruder fast vollständig zusammengesammelt hatte. Es musste für meine selbst produzierten Radiosendungen herhalten, für Interviews mit Oma und Verwandten (Die Kassetten sind leider (oder glücklicherweise) nachher mangels Budget für Leerkassetten überspielt worden), für selbst produzierte Nachrichtensendungen (Videotext als Quelle) und was weiß ich, was man als 9-12 jähriger so alles anstellt.
Dann der erste große Unfall: Der Deckel vom Kassettenfach war abgebrochen und ließ sich nicht reparieren, viele kleine Unfälle in Form von Schrammen und Macken folgten...
Nach zwei Jahren sah das Teil schon sehr mitgenommen aus (war ja auch ein Reiseempfänger, eben zum Mitnehmen
), als ich bei meinem älteren Cousin dessen mit Plakafarben knallbunt angemaltes Radio sah. Also "verschönerte" ich mein Radio auch. Bald gefiel mir das nicht mehr und ich hatte ernsthafte Absichten, das Radio komplett neu zu lackieren, damit es wieder "ordentlich" aussehen solte. Beim Zerlegen löste sich ein Draht aus einer diese unseeligen Verbindungen, die ich für Stecker hielt und das Radio lag zerlegt ein paar Tage bei meinen Großeltern (nicht weit vom Elternhaus), wo es mein Großvater schließlich entsorgte.
Damit war der Lebenslauf meines ersten "richtigen" Radios beendet.
Viele Radios in allen Formen und Ausführungen folgten, aber DIESES Modell ging mir über die Jahre nicht aus dem Kopf. Nach langer Suche im Internet fand ich zunächst die Modellbezeichnung heraus. Es sollten aber noch einmal drei Jahre vergehen, bis im Internet ein Gerät zu einem vernünftigen Preis zu bekommen war.
So schlug ich vorletzte Woche zu: Das Gerät sollte einwandfrei funktionieren, auch der Kassettenteil. Der Zustand war auf den Bildern als brauchbar einzustufen und voller Spannung wartete ich auf den Tag der Lieferung.
Dateianhang:
Dateikommentar: Gerät im Lieferungszustand
A PHILIPS - D 8070-00 20161218_001840 1500 164.101.jpg [ 119.38 KiB | 7251-mal betrachtet ]
Optisch entsprach das Radio den Bildern der Auktion, der Radioteil funktionierte, aber UKW nur Mono. Der Kassettenteil funktionierte nicht. Nur ein Rattern war aus dem Innern des Gehäuses zu entnehmen, aber nichts drehte sich.
Gestern Abend und heute Morgen fand ich dann Zeit, mich dem kleinen mal anzunehmen.
Der Defekt am Kassettenteil war nach dem Öffenen des Apparates direkt zu sehen: Die Haltevorrichtungen des Antriebsmotors, sowohl an Motor und Kassettenlaufwerk, waren abgebrochen. Offenbar erfuhr das Radio eine Erschütterung. Ob das nun ein Transportschaden oder vorher schon war, ist mir bei dem Preis egal.
Dateianhang:
B PHILIPS - D 8070-00 20161218_002634 1000 98.645.jpg [ 96.33 KiB | 7251-mal betrachtet ]
Mit Sekundenkleber ließen sich die Teile wieder bruchbündig verkleben und alle Klebestellen haben die Montage des Motors überstanden und bis jetzt halten sie.
Das Gehäuse war relativ sauber und für einen fast 30jährigen Apparat auch einigermaßen erhalten. Vom Chromdekor sind einige Stellen abgewetzt und es gibt leichte Kratzer hier und da, aber ich wollte und erwartete kein Neugerät.
Alle Innereien wurden dem Gehäuse entnommen und gereinigt. Das Gehäuse musste zum Baden gehen.
Die Platine wieß Spuren von einstiger Nässe auf.
Dateianhang:
Dateikommentar: Platine vor der Bearbeitung
E PHILIPS - D 8070-00 20161218_104301 1500 119.764.jpg [ 116.96 KiB | 7251-mal betrachtet ]
Ich habe sie mit Kontakt-WL und den Drehko mit Tuner 600 gereinigt. Es waren Elkos von drei herstellern verbaut: NKL, YEC und Rubycon. Die Rubicons und NKL waren noch in Ordnung und hatten neuwertige Messwerte. Die YEC wichen jedoch deutlich ab und hatten allesamt schlecte ESR-Werte im zweistelligen Ohm-Bereich. Die meisten hatten Sollwerte im einstelligen µF-Bereich. Im Umfeld des Stereo-Decoder-ICs befanden sich auch drei Stück: zwei mit 0,47µ und einer mit 1µ. Soweit möglich ersetzte ich alle YEC-Elkos gegen Folienkondensatoren. Die anderen gegen hochwertige Elkos.
Dann konnte es mit dem Zusammenbau weitergehen...