Dampfradioforum

Hallo Zusammen,

mein Name ist Tobias, 43 Jahre alt und ich komme aus dem schönen Schrobenhausen.

Ich bin auf Euch gestoßen, da ich vom Vater meiner Freundin einen Auftrag bekommen habe.

Er hat einen "schönen" uralt Radio von SABA im Gartenhäuschen, der aber leider nicht mehr funktioniert.

Ich habe nun den Auftrag erhalten, da ich bereits die Spülmaschine / Waschmaschine / ... repariert habe, mir mal dieses Gerät anzuschauen.

Ich habe folgende Fehlermeldung mitbekommen "Das Licht geht an, es kommt kein Ton ..."

In der Anleitung "Vor der ersten Inbetriebnahme eines Röhrenradios beachten!" ist alles gut beschrieben.

Zur Vorbereitung auf das Unterfangen habe ich bereits in einem anderen Thread gelesen, da Ihr zu diesem Gerät Schaltpläne habt.
Könntet / Würdet Ihr mir diese bitte zur Verfügung stellen?

Kurze Frage / Doofe Frage: Auf der Oberseite vom Radio blättert extrem der Klarlack ab - habt ihr dazu auch Tipps?

Besten Dank und ich hoffe es wird kein unendlichkeits-Projekt.

Gruß Tobi

Hallo Tobi,
willkommen im Forum
Den Schaltplan findest du u.a. hier: https://www.nvhr.nl/gfgf/schema.asp?Zoe ... mitted=yes

In den Röhren Radios bis Anfang der 60er wurden Kondensatoren verwendet, dessen innerer Aufbau aus einer Papierisolierung bestand, diese Papier hat sich mit den Jahrzehnten mit der Luftfeuchtigkeit gesättigt und macht Ihn dadurch für hohe Gleichspannungen durchlässig.
Was dann weitere Bauelemente, wie Röhren Trafos und Widerstände überlastet. Und schlimmstenfalls auch die gefährliche Netzspannung ans Chassis leitet.

Diese Kondensatoren und davon sind es nicht wenige, müssen durch heute produzierten Ersetzt werden. Bis die ersetzt sind, sollte der Netzstecker nicht wieder eingesteckt werden.

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M. f. G.
fritz


- Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen

Moin,
das ging sogar noch etwas laenger. Die "magische Grenze" liegt bei 1964/65. In diesem Zeitraum wurde auf Kunstfolienkondensatoren umgestellt. An einigen Positionen koennen noch Papierkondensatoren ueberlebt haben, daher muessen die Geraete immer ueberprueft werden.

Kritisch sind bei einigen Fabrikaten (auch Saba!) Entstoerkondensatoren im Netzeingang von einem Netzpol an Masse. Die werden erstmal ersatzlos entfernt. Bei Saba hinter der Montageplatte suchen, die den Spannungswaehler traegt.
Dann gibt es haeufig noch einen Kondensator ueber der Anodenspannungswicklung des Netztrafos. Auch der fliegt erstmal raus.
Fuer die Entstoerkondensatoren wurden damals auch nur die ueblichen Papierkondensatoren verwendet, die keinerlei Sicherheit bieten, ausser, dass sie fuer eine Spannung von etwa 1000V ausgelegt wurden. Inzwischen sind sie, wie schon gesagt, "nass" und haben an Isolation verloren. Im Ergebnis wird das Chassis unter Spannung gesetzt, bzw. der Netztrafo ueberlastet.
Bei einem Feinschluss des Kondensators an der Anodenwicklung kann der Trafo maessig ueberlastet werden, ohne dass die Netzsicherung anspricht. Daher heisst dieser Kondensator auch "Trafomoerder".

73
Peter

Hallo Peter und Fritz,

danke für Eure Antworten - d.h. ich ersetze "einfach" komplett die alten Kondensatoren durch neue.

Bezüglich der Kondensatoren - habt ihr das Best-Practice Vorschläge - welche Marke, etc. man nehmen sollte?
War gerade auf einigen HIFI-Seiten unterwegs und da bluten einen zum Teil die Augen, was die nehmen

Moin,
mit den Kondensatoren decke dich hier ein:

https://atr-shop.de/kondensatoren/axial ... oleranz-5/

Zwanglos einbaubar, weil gleiche Bauform mit langen Draehten und die 630V Kondensatoren sind gegenueber den 400V-Typen nicht so dramatisch teurer.

Hyper Boutiquenware fuer "HiFi" braucht man hier nicht, die gezeigten Kondensatoren uebererfuellen alle Anforderungen, die im Radio daran gestellt werden.

Wenn man den Entstoerkondensator im Netzeingang und den an der Anodenwicklung ersetzen will, gehen dafuer nur gepruefte Typen der Klasse X2 und Y2.
Grund dafuer ist, dass diese Kondensatoren besondere Anforderungen erfuellen muessen, darunter auch ein definiertes Verhalten im Fehlerfall.
Zwischen Netzpol und Chassis ein Kondensator der Klasse Y, an der Anodenwicklung der Klasse X . Diese Kondensatoren muessen nur ersetzt werden, wenn es Brummstoerungen beim Empfang gibt. Ansonsten, wie gesagt, weglassen. Es gibt auch Fabrikate, z.B. Grundig, Mende, die nie oder selten diese Kondensatoren haben. Und heutzutage sind sie gegenueber den "modernen" Netzstoerungen ohnehin wirkungslos.

Bei Ersatz den 1nF Kondensator zwischen Anode der Endroehre und Masse nicht gegen Masse, sondern parallel zur Primaerwicklung des Ueberragers gegen den Speisepunkt schalten. Das verringert die Beanspruchung des Kondensators, es genuegt dann auch hier ein 630V-Typ. Und sollte er tatsaechlich mal durchschlagen, kann er keinen Schaden anrichten, das Radio wird nur sehr leise.

73
Peter

Danke Peter

Na da freue ich Mich doch auf das Projekt

Hallo Tobi,
kommst du mit dem Schaltplan klar, falls ja, dann benenne ich dir die Bauteilnummern der Kondensatoren, die unabwendbar ersetzt werden müssen.

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M. f. G.
fritz


- Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen

Hallo Tobi,

neben den zwei 5000pF aus dem Netzteil müssen diese Kondensatoren hier ersetzt, bzw. entfernt werden. Der obere ist der Trafotöter und links der Koppelkondensator.


Damit kannst Du Dir die Tauschorgie aller anderen Papierwickel vorerst sparen. Denn schnell hat man sich dabei vertan und die Suche ist dann sehr mühselig. Ich tausche immer erst die notwendigsten Kondis. Und wenn es dann dennoch sein muss Stück für Stück die anderen und kann immer wieder überprüfen, ob das Radio noch spielt.

Gruß,
Peter

Hallo Fritz,

der Schaltplan ist wunderbar - besten Dank hierfür - bin schon drüber geflogen - schön finde ich auch hinten die Ersatzteilliste.

Falls Du eine Liste mit Bauteilnummern hättest, würde ich voll gerne sie in Anspruch nehmen.

Hallo Peter,

die beiden nehme ich dann mal als Prio-Aufgabe mir vor, um überhaupt zu testen, ob der Radio noch funktioniert. Danke hierfür.

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Aktuell stelle ich mir noch die Frage, wie ich ihn am besten zerlege, da ich nach der Abnahme der Rückplatte gesehen habe, dass sich im Radio noch die Spinnen, Wespen, Fliegen und Staub von ungefähr 50 Jahren befinden.
Anscheinend ist das Innenleben des Radios von unten mit der Chassis verschraubt - ich bin mir aber unsicher, ob das vorne verklebt ist, also ob ich das einfach so abschrauben kann oder kann man das dann einfach nach hinten rausziehen.
Habt ihr hierzu Erfahrungswerte?

Der Stoff des Radios vorne hat gut Gilb abbekommen, kann man sowas einfach demontieren und reinigen?

Danke und Gruß Tobi

Hallo Tobi,
um ein Röhrengerät auf wieder Inbetriebnahme Grob zu prüfen, bediene ich mich zuerst einem Staubsauger, damit wird das gesamte Radio von vorm und hinten und vor allem von innen abgesaugt, da kommt oft vieles zusammen. Etwas Vorsicht bitte bei den dünnen Spulendrähten, die sind Abriss gefährdet. Ebenfalls Vorsicht, bei der Entstaubung der Röhren, da der Typen Aufdruck oft nicht mehr wischfest ist, hier dann besser nur drum rum saugen, nicht zu vergessen, die Röhrenfassungen die mit dem Chassis fest verbunden sind bei jeweils herausgezogener Röhre (Position merken/aufschreiben oder Fotografieren) auszusagen, dazu dann den Saugschlauch direkt auf die Fassung drücken und saugen.
Das Chassis ist teilweise nur durch evtl. feuchten Schmutz verklebt, sonst nur geschraubt und oft samt Skalenscheibe vorsichtig herausnehmbar.
Bei der Reinigung der Skalenscheibe gilt bereits geschriebenes, vor allem der Hintergrund der Scheibe ist oft nicht mehr feucht wischbar.
Der Lautsprecherstoff (oft nur nach dessen Herausnahme / Verklebung) mittels spez. (Jewel) Wasser Handwaschung oft wieder hell und frisch zu bekommen.
Die zu wechselnden Papierwickel Kondensatoren sind zunächst all die die einen Aufdruck mit 250 V und 500V oder mehr tragen. Da einiges an Bauelementen standardisiert wurde, können z.B. die Kapazitäts aufdrucke leicht abweisen. Wichtig nur, die Ersatz Kondensatoren sollten durch die heutigen mit einen mind. Spannugs Aufdruck von 500V ersetzt werden.
Auch wurden schon erwähnt, das wenige davon ersatzlos herausgekniffen werden.
Elkos, außer dem großen Becher Elko, sind ebenfalls zu wechseln. Auch hier gilt, ein höherer Spannungsaufdruck als der aufgedruckte, ist immer möglich, ein tieferer aber NIE.

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M. f. G.
fritz


- Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen

Fritz, ich danke Dir

.....immer wieder gern, so lange es zeitnahe Rückmeldungen gibt.

Hier noch eine Berichtigung: nicht Jewel sondern Javel-Wasser
https://de.wikipedia.org/wiki/Javelwasser

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M. f. G.
fritz


- Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen

Moin,
das Innenleben ist das Chassis, das "Aussenleben" aus Holz das Gehaeuse (ich hatte es auch schon, dass sich das komplette Gehause vom Bodenbrett heben liess, keine Ahnung, was mit dem Radio passiert ist, es war eigentlich ansonsten unbeschaedigt)

Nach Abloeten der Lautsprecherleitungen (bei einigen Sabatypen ist sie auch gesteckt) kann nach Herausdrehen der Chassisbefestigungsschrauben im Boden das Chassis nach hinten herausgezogen werden. Eher selten sind die Lautsprecherleitungen so lang, dass das Chassis hinter das Gehause gestellt werden kann.
Es klebt oft mit seinen Gummizwischenlagen am Gehauseboden, mit einem kraeftigen Schraubenzieher etwas anheben.
Beim Herausziehen etwas Vorsicht, dass man nicht mit der Skalenscheibe aneckt. Es gibt Geraete, wo es sehr eng werden kann (ganz besonders der Hartmanssdorfer Hasenstall (Goldpfeil Rossini G6010).

Wenn man mit dem Staubsauger dem Staub zu Leibe rueckt, diesen mit einem weichen Pinsel herausfegen und mit dem Sauger aufnehmen.

Ein Hinweis noch:
Das Geraet sollte nicht ohne Belastung des Lautsprecheranschlusses betrieben werden. Roehrenverstaerker moegen es im Zweifel nicht, ohne Last zu arbeiten.
Damit immer eine gewisse Grundlast vorhanden ist, loete ich an die Anschluesse der Buchse fuer den Zweitlautsprecher einen Widerstand von etwa 50 Ohm (1W reicht). Diese Last genuegt, um etwaige Spannungsspitzen im Ausgangsuebertrager abzufangen. und stoert auch nicht weiter, wenn man dann einen Testlautsprecher anschliesst.

73
Peter

Sodala, gestern habe ich den Radio mal weitestgehend gesäubert und diverse Sachen wieder gängig gemacht.

Heute habe ich mir die Kondensatoren angeschaut und für mich eine kleine Übersicht gebastelt. Ich hoffe ich habe keine übersehen. Insgesamt 16 habe ich gefunden.


Bild vergrößern: https://ibb.co/swnqH2Y


Bild vergrößern: https://ibb.co/BtXv8Vg

Einen der Papierkondensatoren konnte ich leider nicht identifizieren, die Nummer 10 auf dem Bild, maybe kann mir jemand von Euch dabei weiterhelfen. Er ist so doof eingebaut und ich habe hier keinen Lötkolben und einfach rauszwicken wollte ich ihn nicht ...

Bei Reichelt habe ich mich dann mal auf die Suche nach neuen Kondensatoren gemacht, da ich da schon mal vor Jahren bestellt habe - hier wäre ich Euch super Dankbar, wenn Ihr einmal einen kritischen Blick drauf werfen könntet.


Bild vergrößern: https://ibb.co/Br65kb9

Über Eure Hilfe, Ratschläge, Anmerkungen freue ich mich jetzt schon

Danke dafür

Viele Grüße

Tobi

Von der Reihenfolge würde ich dann den Trafotöter und Koppelkondensator (in der Grafik die Nummer 4 und die Nummer 7) als erstes wechseln, wenn ich die Antwort von Peter2K richtig verstanden habe, oder?