PROBLEMATISCHE ELKOS IN TRANSISTOR-GERÄTEN?
Ich habe die Überschrift mal verallgemeinert und mit einem Fragezeichen versehen.
Bevor sich der geneigte Leser durch meinen oben verlinkten Thread im Saba-Forum kämpft (nötig ist das keineswegs), hier ein paar allgemeine Hinweise zum Thema.
Transistorbestückte Geräte gibt es nun seit über 60 Jahren und mancher Sammler, der aus der Welt der Röhrenradios auf Transistorgeräte aufmerksam wird, fragt sich, was es denn dort für Standardprobleme gibt.
Um es vorweg zu nehmen: Ein Rezept "tausche alle XXX aus, dann wird's schon wieder spielen" gibt es bei Transistorgeräten noch weniger als in der Röhrentechnik. Während die alten Papierkondensatoren in Röhrenradios aus den 50er Jahren und davor "zuverlässig schlecht", also quasi immer fehlerhaft sind, ist dies bei ihren "Pendants" aus den Transistorradios, also den Elkos, keineswegs zwangsläufig der Fall. Sie KÖNNEN fehlerhaft sein, MÜSSEN es aber nicht.
Es gibt eine häufig zutreffende Faustregel, die für Geräte der fünfziger bis achtziger Jahre in etwa gleichermaßen gilt:
Je kleiner der Elko ist, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Kapazität als auch seiner mechanischen Abmessungen (wobei beides ja in Zusammenhang steht),
desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er fehlerhaft ist.
Ob es sich also um einen uraltes Nur-MW-Taschenradio dreht oder um ein 80er-Jahre-Hifi-Gerät, gilt:
Die Aufmerksamkeit sollte den Kapazitäten von 0,5 bis 10µF gelten!Größere Werte - und damit verbunden größere Becher - sind nur selten Anlass für Ärger.
Es treten bei Elkos - sofern sie überhaupt fehlerhaft sind hauptsächlich zwei Probleme auf:
1. Kapazitätsverlust
2. Ein zu hoher Leckstrom (also ein Rest-Gleichstrom, der durch den Kondensator auch nach seiner vollständigen Ladung dauerhaft fließt)
Wichtig dabei: Beide Fehler führen meist dazu, dass eine Schaltung a) nicht mehr optimal arbeitet (z.B. zu dünne Basswiedergabe) oder b) schlecht arbeitet (starke verzerrte oder zu leise Wiedergabe) oder c) die Schaltung garnicht funktioniert (Gerät schweigt).
Ein Folgeschaden tritt dagegen in der Regel nicht auf, so dass das Radio (oder was auch immer) ohne weiteres probehalber in Betrieb genommen werden kann, ohne dass man befürchten muss dass es "gleich qualmt".
Umgekehrt, funktioniert ein Transistorgerät nicht oder nicht gut, ist es nicht zielführend, pauschal mit Bauteilwechselaktionen zuzuschlagen.
Systematische Fehlersuche ist die einzig vernünftige, zielführende Methode! Wer diese mangels Kenntnissen nicht beherrscht, findet (nicht nur) in diesem Forum bereitwillige Hilfe.
Die Taktik, pauschal viele oder gar alle Kleinelkos paiuschal zu tauschen, bevor überhaupt eine Funktionsprüfung vorgenommen wurde (wie es bei Röhrengeräten oft praktiziert wird) ist also bei einem Transistorradio sinnlos und sogar unzweckmäßig (letzteres, weil die Gefahr besteht, dass man sich beim Tauschen weitere Fehler einbaut).
Ein Elektrolytkondensator kann auch durch Kurzschluss ausfallen, dies kommt jedoch selten und wenn, dann eher bei großen Kapazitäten in Netzteilen etc. vor - und führt auf jeden Fall zum sofortigen Durchbrennen der Gerätesicherung (worauf man sich beim Kurzschluss im Röhrenradio bekanntermaßen nicht unbedingt verlassen kann).
Also keine Angst vor dem Einschalten!
Gibt es dennoch "Tauschkandidaten" unter den Kleinelkos? Jein.
Die Qualtiät namentlich westdeutscher Elkos war immer sehr gut. Auch "Schwachmaten" muss man zugute halten, dass diese nicht für eine Lebensdauer von 30, 40, 50 oder noch mehr Jahren vorgesehen waren. Aus den 50er und 60er Jahren erweisen sich Siemens-Elkos heute als besonders robust (aber auch ein solcher kann mal defekt sein!), Valvo (Philips) waren ebenfalls gut, Frako und Roederstein zeigen schon etwas häufiger Ausfälle.
Die Qualität in den 70er Jahren war noch besser, hier ist eigentlich nur eine Type als sehr problematisch bekannt: "weinrote Roedersteine", also Roederstein-Elkos von 1µ bis herauf zu 1000µ in einem dunkelroten Zylindergehäuse aus Pressstoff (wie Bakelit). Stehend (radial). Insbesondere in warmer Umgebung fielen sie schnell aus (oft ist die Stirnseite bereits rissig und von Elektrolyt verdreckt!). Sie sollte man tatsächlich pauschal tauschen. Auch kleine axiale silberne Frako fallen mir ein, die eine rote und eine grüne Endkappe besitzen, aber nur kurz, etwa 1968 bis 73, verwendet wurden.
In den Geräten der 80er Jahre fallen die radialen Philips-Elkos einiger Jahrgänge negativ durch starken Kapazitätsverlust auf.
Zu Elkos in DDR-Geräten kann ich mangels Erfahrung nichts sagen, das mögen Andere ergänzen.
Generell sollte das Holzauge immer wachsam sein, wenn ein Gerät unter starker Wärmeentwicklung gelitten hat. Manche eng gebauten Verstärker wurden ziemlich heiß, hier sind oft alle Kleinelkos und auch so mancher größere Typ hoffnungslos ausgetrocknet und schrottreif. Auch der Umkehrschluss ist erlaubt: In einem Radio ohne Wärmeentwicklung halten Elkos immer viel länger.
Wie messen?Ein üblicher Kapazitäsmesser tut schon gute Dienste, wenn man Kapazitätsverlust feststellen will. Wobei die Kapazität immer allermindestens der Nennkapazität entsprechen sollte (Elkos hatten früher eine Toleranz von meist bis zu +50%!) Ein mehr als doppelt so hoher Wert ist allerdins auch höchst verdächtig und "riecht" nach Fehlmssung aufgrund hohen Leckstroms.
Viel besser ist der kleine Component Tester, den viele Bastler und Sammler sowieso schon besitzen, meist als China-Nachbau. Dieser misst neben der Kapazität auch den ESR (den äuivalenten Reihenwiderstand des Elkos). Dieser ESR ist eigentlich, um es ganz deutlich zu sagen, KEINE relevante Größe für die Verwendung in Radio- oder Verstärkerschaltungen, er gibt aber einen wichtigen Hinweis auf den "Gesundheitszustand" des Elkos: Ist er auffallend hoch - bei einem Kleinelko mehrere Ohm - deutet dies darauf hin, dass es das gute Stück bald "hinter sich hat". Der vom Component Tester angezeigte Vloss wiederum spiegelt den Reststrom wieder. Ein Vloss von mehreren Prozent deutet auf einen hohen Leckstrom.
Wie war das mit dem Formieren?Wer ein Gerät erstmal in Betrieb setzt um seine Funktion zu überprüfen, formiert dabei zwangsläufig die Elkos neu. Da so ziemlich alle Kleinelkos unter hochohmigen Verhältnissen arbeiten, läuft dies sogar recht schonend ab. Im Hinblick auf die großen Netzteilelkos ist es allerdings ratsam, ein Gerät, von dem man weiß dass es lange Jahre keine Netzspannung "gesehen hat", langsam am Regeltrafo hochzufahren.
A propos formieren: Es gibt Schaltungen, in denen einzelne Elkos im normalen Betrieb ohne Vorspannung arbeiten. Sie haben also lebenslänglich keine Chance ihre Formierung aufrecht zu erhalten und sind im Alter, unabhängig von ihrer Qualtiät, als erstes defekt. Solche Fälle sind eigentlich Designfehler des Schaltungsentwicklers.
Wie ersetzen? Wer defekte Elkos ersetzt, sollte nur zu
fabrikfrischer Markenware greifen! Der Ersatz durch dubiosen, namenlosen China-Schrott, womöglich uralte Lagerware vom Billigheimer, ist sinnlos und verschlimmbessert langfristig die Lage! Hochwertige Elkos von beispielsweise Nichicon, Panasonic, Rubycon und andern Qualitäts-Marken werden fast ewig leben und kosten auch nur Centbeträge!
Es sei in dem Zusammenhang auch auf die Elko-Pest hingewiesen, die von ca 1998 bis 2008 den Elekronik-Weltmarkt aufgemischt hat - siehe hier:
https://de.wikipedia.org/wiki/Capacitor_PlagueSchon aus diesem Grund sollte man alter Lagerware misstrauisch begegnen.
Soweit erstmal,
VG Stefan