Nicht nur Austauschen auch Prüfen

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Christoph
Kuba Komet
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Re: Nicht nur Austauschen auch Prüfen

Beitrag von Christoph »

Christoph hat geschrieben:Zu der stark veränderten Kapazität:
Ich bin auch immer davon ausgegangen, dass das Messgerät mit den Leckstrom durcheinander kommt und deswegen die falsche Kapazität anzeigt. Mittlerweile bin ich aber zu 98% sicher, das die Kapazität sich in vielen Fällen tatsächlich ändert.
Denn: ich habe schon mit zwei verschiedenen LCR Messgeräten, die auch mit Wechselspannung messen, auch genau die falschen Werte gemessen.
U.a. mit diesem http://www.dampfradioforum.de/viewtopic ... 34&t=14097

Eine "zu Fuß" aufgebaute Messbrücke misst auch die viel zu große Kapazität.

Vermutlich zersetz sich das Dieelektrikum im Kondensator bzw verändert seine Eigenschaften durch evtl durch Haarrisse eingedrungenes Wasser.
Durch das "dünnere" Dieelktrikum bzw das veränderte Epsilon steigt dann die Kapazität.
Scheinbar gibt es doch mehrere Gründe, warum die gemessene Kapazität teilweise sich so stark verändert.
Via PN bekam ich noch den Hinweis, dass mal ich mal einen guten Kondensator mit einem 1MOhm Widerstand parallel messen soll.

Das habe ich eben mal gemacht, 10nF parallel 1MOhm.
Mein Fluke 83 hat 170nF gemessen (ohne 1MOhm aber natürlich richtig 10nF).
Das etwas bessere (Baugleich mit dem von Gery vorgestellten) hat trotzallem noch richtig 10nF angezeigt, allerdings 81° Phasenverschiebung (ideal sollten es 90° sein) und auch parallel 1MOhm gemessen.

Also würde ich daraus schließen, dass es mehrere Gründe für den Ausfall der alten Kondensatoren und den viel zu großen Messwert gibt.
Teilweise ist die Isolation einfach so schlecht, das manche Messgeräte durcheinander kommen, oder aber, es hat sich wie oben schon beschrieben tatsächlich etwas verändert.
Beispiel Wima Durolit. Die sind mit Harz vergossen, solange die nicht gerissen sind kann kein Wasser oder sonstwas eindringen, trotzdem können sie beträchtlich ihre Kapazität verändern.
Grüße
Christoph
Gery
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Re: Nicht nur Austauschen auch Prüfen

Beitrag von Gery »

Hallo Christoph,
es könnte auch sein, das sich das Papier durch den Alterungsprozess verändert. Auch durch Feuchtigkeitseinfluss bei der Herstellung altert Papier.

"Damit beginnt für uns heute die große Sorge über den Massenzerfall unserer Bücher, Archivalien und Schriften, denn ab diesem Zeitpunkt - 1807 - müssen wir damit rechnen, dass nun sehr viele Papiere sauer sind. Sie enthalten als Fällungsmittel Aluminiumsulfat. In jedem Papier ist Wasser enthalten und mit diesem dissoziiert das Aluminiumsulfat (Alaun genannt) zu Schwefelsäure. Damit beginnt durch die Säure der Säurezerfall der Zellulose.
Saure Papiere werden bis heute noch in großem Umfang erzeugt."
Quelle: Uni Münster

Somit verändern sich ja auch die elektrischen Eigenschaften als Isolator und Dielektrikum. Gerade Papier der 50er Jahre war sehr säurehaltig und von schlechter Qualität. Es gab auch verschiedene Papiersorten, so wurde Zeitungspapier chemisch anders behandelt als das Papier von Büchern. Nun wenn man aus Kostengründen das billigere Zeitungspapier eingesetzt hat? Der Elektronikkonsument bemerkt das optisch nicht.
Geplante Obsoleszenz auch damals in der Unterhaltungsindustrie?
Wie verändert das säurehaltige Papier die Schichtdicke von den Aluminiumelektroden des Kondensators? Beim Zersetzungsprozess würde ja weiteres Aluminiumsulfat entstehen, ein immer schnellerer Zersetzungsprozess findet statt. Restfeuchte war bereits in der Produktion des Kondensators vorhanden. So hat die Dichtigkeit des Kondensators sicher eine untergeordnete Rolle gespielt. Das würde beweisen, dass ein Gerät, das eine hohe regelmäßige Betriebszeit aufweist, bessere Betriebswerte als nach der Herstellung hat.
Christoph
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Re: Nicht nur Austauschen auch Prüfen

Beitrag von Christoph »

Naja, die werden ja nicht irgend ein Papier in die Kondensatoren gewickelt haben.
In der Regel ist das ja auch Waxpapier, somit sollte ja keine Feuchtigkeit ab Werk drinne sein (Wachs verdampft erst über 100°C). Ich würde somit behaupten, wenn man Papier mit 101°C heißen Wachs tränkt, sollte das Wasser weg sein?? Oder sehe ich das falsch?

Das Problem gibt es aber auch bei "moderneren" Kondensatoren, siehe Wima Durolit. Die haben angeblich schon eine Kunstoff? Folie drinne.
Immerhin sind das ja die Nachfolger der (fast) unzerstörbaren Sikatrop Kondensatoren. Somit glaube ich nicht an geplante Obzoleszens. Denn zumindest die Durolits wurden ja auch in kommerziellen Geräten verbaut.
Grüße
Christoph
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BugleBoy
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Re: Nicht nur Austauschen auch Prüfen

Beitrag von BugleBoy »

Christoph hat geschrieben: Das Problem gibt es aber auch bei "moderneren" Kondensatoren, siehe Wima Durolit. Die haben angeblich schon eine Kunstoff? Folie drinne.
Immerhin sind das ja die Nachfolger der (fast) unzerstörbaren Sikatrop Kondensatoren. Somit glaube ich nicht an geplante Obzoleszens. Denn zumindest die Durolits wurden ja auch in kommerziellen Geräten verbaut.
Kurzzeitig ist Durolit sogar richtig robust, aber Epoxidharz ist leider auch hygroskopisch (wasseranziehend).

Hauptursache ist Dielektrium-Konstant.
Papier hat um 2-4 und Wasser hat 77
wenn Papier 1% Feuchtigkeit angezogen hat, dann dürfte Kapazität bereits um ca 20% steigen.

Isolationschwäche ist eine Nebeneffekt, Desillierte Wasser hat keinerlei Widerstand(eher sehr hochohmig)
aber ihr schrieb bereits dass Papier etwas Säurehaltig,
Das pplus Wasser = gute Leiter, aber in einstellige Prozent dürfte eher in Megaohm-Bereich.

Grüss
Matt
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Gery
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Re: Nicht nur Austauschen auch Prüfen

Beitrag von Gery »

@ Christoph da müsste man mal nach schauen, ein paar alte Kondensatoren öffnen.
@ Matt genau, so sehe ich das auch. Wenn es gewachstes Papier ist, dann bleibt die Leitfähigkeit neutral nur die Dielektrizitätskonstante steigt.
Das würde heißen, gewachste erhöhen ihre Kapazität ohne großen Leckstrom. Ungewachste haben einen hohen Leckstrom und nicht gleichzeitig auch eine höhere Kapazitätserhöhung. Man bräuchte ein paar Informationen von der damaligen Herstellung.