Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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SABA78
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Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von SABA78 »

Heute kam ich zufällig, ich hatte mich in einem Dorf verfahren, an ein abgelegens Plätzchen am Rande eines Dorfes. Ich parkte, sortiere meine Arbeit und plante den weiteren Tagesverlauf. Nachdem ich gewendet hatte sah ich auf einer Wiese neben dem ersten Haus (Waldweg zum Ortseingang) Elektrogeräte liegen. Ich stoppte, als ich 2 alte Kofferradios und ein Regalgerät der 70er Jahre sah.

Folgende Geräte lagen im Gras:
Loewe T 92 - Zustand 3, Antenne fehlt
Telefunken Jubilate 501 -Zustand 2-3
und
ein SANWA 7060

Zuhause angekommen widmete ich mich dem für mich interessantesten Gerät - dem SANWA
Sanwa 7060 IMG_3622 Resize of Resize of.JPG
Zuerst lötete ich eine 2mm Schraube in das ende der abgebrochenen Teleskopantenne.
Dann der Funktionstest. Gerät spielt sehr Leise, Empfang schlecht, beim Betätigen der Widergabetaste starkes Brummen im UKW-Radiobetrieb.
Also zerlegte ich den Koffer.

Das Teil hat 4 Lautsprecher! 2 große hinter der Frontblende und 2 kleine, die im Gehäuse nach links, bzw. rechts strahlen.
Das Öffnen war etwas knifflig. Nachdem ich innen noch 4 lange Schrauben entfernte konnte das Innenleben, es ist auf einer Art Chassisträger verbaut entnehmen.

Gleich nach dem Zerlegen fiel deutlicher Urin-Geruch auf - es stellte sich heraus, daß es sich nicht um Urin, sonder um den Ammoniak der undichten Elkos handelt. Die Tuner-Platine war schnell kuriert. Etwa eine Hand voll Cs wurden getauscht. Kapazitiv gesehen waren die Stichproben ohne Befund. Ein 470µ-Elko zischte aber deutlich hörbar beim Entlöten.
Die zweite Platine (Vorstufe, Endstufe, Kassentenlaufwerkelektronik...) ist aber dermaßen dichtverdrahtet, daß ich bis jetzt 15 Drähte entlöten musste um die Platine überhaupt einmal drehen und die Bestückungsseite erreichen zu können.
Sanwa 7060 IMG_3632 Resize of .JPG
Die Rückseite :angry: :wut:
IMG_3643 Resize of .JPG
Bei dem Anblick musste ich mich daran erinnern, daß ich mich neulich über den Verhau im Graetz Grazioso 230 beschwert hatte...
In Momenten wie diesem wird mir wieder klar, warum ich Röhrenradios mag...

Wehe die Kiste klingt nacher schlecht!
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Gruß,
Daniel


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SABA78
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von SABA78 »

Ich frag mich bei derartigen Verdrahtungen immer, wie die das damals im Werk ohne großen Ausschuß hingekriegt haben?!
Gruß,
Daniel


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uli12us
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von uli12us »

Wieso, das ist doch eine Arbeit für dressierte Affen. Solche Radios werden ja nicht als Einzelteile gebaut sondern in Riesenserien von einigen 10.000 Stück. Da hat jeder Arbeitsplatz nur vielleicht 1 Dutzend Bauteile, was er einbauen muss. Und besonders dichtgepackt ist die Platine auch wieder nicht. Da hab ich bei Funkgeräten schon weit mehr Teile auf weniger Platz gesehen.

Wenn ich dann höre, dass die Saba Platinen(röhren)radios dichtbestückt wären, kommt mir immer das Grinsen.

BTW, solche Platinen sind weit servicefreundlicher wie die 5 Lagigen Drahtverhaue in Röhrenradios. Da besteht noch die einzige Problematik, die zum Bauteil gehörigen Lötpunkte zu finden. Lötzinn weg, Bauteil raus neues genauso gebogenes wieder rein, anlöten, fertig. Problematisch wirds erst bei doppellagigen Platinen. Verglichen mit den Umständen mit nem womöglich verklebten Teeri bei nem Röhrenradio ist das simpel.
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BugleBoy
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von BugleBoy »

Dagegen ist Tek lachnummer...aber Grips beim Fehlersuchen ist oft nötig..

Schlimmsten ist Platine mit BGA Chip, mit Heimwerkzeug nix zu machen.
Tja, das ist meine Beruf, aber wenn BGA CHip kaputt ist, dann shcicke ich ihm an Lieferant zurück.

Grüss
Matt
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SABA78
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von SABA78 »

Sooo. Nachdem nun einige private "Baustellen" erledigt sind, fand ich heute endlich mal wieder Zeit für den Sanwa (Bilder siehe oben) und das ältere Exemplar meiner beiden Siemens Super G7.

Beim Siemens habe ich alle Teer- und Elektrolyt-Kondensatoren getauscht (Netzelko und ein weiterer Elko wurden schon mal getauscht). Danach die erste Probe - Empfang auf den drei AM-Bändern - UKW: NIX, nicht mal ein Rauschen! :(
Ein Blick auf die ECC85 auf der UKW-Box: keine Heizung zu sehen. :?

Na gut, erst mal den Sanwa fertig gemacht. Nachdem alleine die Reinigung der Gehäusefront einen Abend verschlungen hat (ich hab's aufgegeben und das Teil in die Spülmaschine gesteckt) konnte ich heute alles weitere zusammenbauen. Die Schaumstoffkissen haben sich über die Jahre in schmierige, klebrige Krümel aufgelöst und wurden ein Opfer des Staubsaugers. Sowas ersetze ich immer gegen Streifen aus Tesa-Moll - gesagt getan. Zusammengebaut, Testbetrieb - Ergebnis: Nach "Dauerklavierspielen" am Drucktastenaggregat passabler Empfang auf AM. Auf UKW nur schwacher Empfang. Drei Sender kommen klar rein, allerdings nur in Mono und viel zu leise. Die Lautstärke bei AM ist OK, bei UKW muss ich den Brüllkasten voll aufdrehen. Stereo erkennt die Kiste nicht. :(
Also hab ich mal das Datenblatt vom AN362 - der steckt im Empfangsteil drin - runtergeladen. An einem Pin, ich weiß grad nicht welcher das war sollen 19kHz anliegen - zumindest in der im Datenblatt angegebenen Prüfschaltung - der Sanwa wedelt mit 18kHz. Die Betriebsspannung soll laut Datenblatt zwischen 6 und 16 Volt liegen - es liegen 7,5 an (Batteriespannung des Radios: 9V).

Nach einer Phase der geistigen Entspannung habe ich heute abend wieder am Siemens weitergearbeitet. Die Heizspannung hab ich mittels Oszi gemessen, 5,irgendwas Volt Spitzenwert. Na gut, dann mal ein 12V 100mA Glühlämpchen in die Fassung gesteckt (Pin 4 und 5): NIX. UKW-Teil ausgelötet, ausgebaut, geöffnet, reingesehen - nix, außer etwas Staub. Die Verbindungen der Heizung gehen durch bis zur äußeren Lötleiste. Daraufhin hab ich mal 6,3V an die entsprechenden Pins der Lötleiste angelegt - siehe da, die Heizung glimmt!. "Dann wird wohl die der Heizung in Reihe geschaltete Spule durchgebrannt sein", dachte ich und zog flugs das Ohmmeter - Resultat: 0,01 Ohm. Wieder nix. :wut:
Dem interessierten Leser dieser Zeilen muss ich allerdings noch auf den Weg geben, daß ich mal die UKW-Box wegen eines Wackelkontaktes an der Röhrenfassung ausgebaut und beim wieder einbauen falsch verdrahtet habe. Die Verdrahtung habe ich später wieder korrekt hergestellt.
Es sei auch erwähnt, dass alle anderen Röhren einwandfrei heizen und die Skalenlampe ein wohlig Lichtlein ausstrahlt.
Vielleicht, warum auch immer liegt es ja nur daran, daß ich die Anzeigeröhre :mauge: beim Probelauf nicht angeschlossen habe, man weiß ja nie... :?:

Vielleicht hat jemand noch einen Tip. :?: :?:
Wenn ich jetzt nichts finde, dann bleibt mir immerhin noch die Vergleichsmessung am Baugleichen Gerät.

Es grüßt hoffnungsvoll,
Daniel
Gruß,
Daniel


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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von paulchen »

Hallo Daniel!

Ich habe jetzt nicht den Plan vom G7, aber den vom D8. Daran habe ich mich mal orientiert.

Die Heizung der ECC85 ist an den Punkten 3 und Masse der Box zugeführt. So an Pin 3 6,3V~ anliegen, solltest Du unbedingt die Massezuführung zum Tuner kontrollieren. Viel mehr als das und eine defekte Fassung /Lötstelle kann da nicht vorliegen.
Ich hatte solche Effekte schon öfters. Zur Not einfach mal eine neue Leitung zur Probe Richtung Tuner legen.

paulchen
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von SABA78 »

Vielen Dank für den Tip.

Was sich mir jetzt nicht ganz erschließt ist, daß der Tuner galvanisch zum Chassis getrennt verschraubt ist, aber die Masse über einen Draht am Tuner und dessen Gehäuse angelötet ist. Soweit ich das aus dem Plan ersehen kann hat die Anodenspannung und die Heizspannung eine gemeinsame Masse.
Gruß,
Daniel


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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von röhrenradiofreak »

Die UKW-Teile sind oft in Gummi gelagert, um mechanische Schwingungen (Mikrofonie-Effekte im UKW-Teil) zu dämpfen. Da Gummi aber nun einmal ein Isolator ist, braucht man eine zusätzliche Masseleitung.

Lutz
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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von SABA78 »

Neuester Stand zum Siemens G7.

Ich habe mal die Masseverbindungen der beiden Geräte verglichen. Beim intakten Modell habe ich zwischen dem Masse-Pin und dem Gehäuse einen sehr niederohmigen Widerstand (0,irgendwas Ohm) gemessen, beim defekten messe ich ca. 6 Ohm.
Also hab ich testweise einen zusätzlichen Masse-Draht angelötet - siehe da, die Röhre heizt wieder.
Allerdings ist der Empfang nicht so berauschend, aber das ist er bei beiden Geräten nicht. Ich schätze, dass die Röhren müde sind.
Gruß,
Daniel


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Re: Warum ich lieber Röhrenradios repariere...

Beitrag von Munzel »

SABA78 hat geschrieben:Allerdings ist der Empfang nicht so berauschend, aber das ist er bei beiden Geräten nicht. Ich schätze, dass die Röhren müde sind.
Möglich. Von der Bestückung her ist es ein ordentlicher Mittelsuper. Da sollte sehr guter Empfang auf allen Bereichen drin sein.


MfG
Munzel