Selengleichrichter

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
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röhrenradiofreak
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Selengleichrichter

Beitrag von röhrenradiofreak »

Wegen der unterschiedlichen Meinungen, ob Selengleichrichter generell ersetzt werden sollen, habe ich gestern meinen Bestand an Selengleichrichtern geprüft.

1 Brückenggleichrichter in offener Bauform
1 Einwegggleichrichter in offener Bauform
1 Brückengleichrichter in rundem, schwarzem Gehäuse
2 Einweggleichrichter in rundem, schwarzem Gehäuse
6 Brückengleichrichter in flachem Gehäuse
2 Einweggleichrichter in flachem Gehäuse
1 Einweggleichrichter in rechteckigem, an zwei Seiten offenem Gehäuse
12 Brückengleichrichter in kleiner Bauform aus Transistorgeräten

Diese Gleichrichter wurden schon vor Jahren, teilweise Jahrzehnten, aus defekten Geräten ausgebaut. Bei Ausbau waren sie nicht geprüft worden. Nur Exemplare, die nach dem Fehlerbild des Schlachtegerätes offensichtlich defekt waren, sind nicht dabei.

Geprüft habe ich den Spannungsabfall bei Nennstrom und den Sperrstrom bei Nennspannung.

Ergebnis: ein einziger von diesem 26 Gleichrichtern war nicht in Ordnung. Es handelt sich um einen Einweggleichrichter E250 C85 in flachem Gehäuse. Dieser hatte einen Durchlasswiderstand von etwas über 1 k Ohm. Alle anderen Gleichrichter hatten bei Nennstrom Spannungsabfälle unter 6% der Nennspannung (entspricht z.B. bei einem Gleichrichter 250 V / 100 mA einem Widerstand von 150 Ohm) und bei Nennspannung Sperrwiderstände über 100 kOhm, was ich als in Ordnung ansehe.

Aufgrund dieser Ergebnisse werde ich Selengleichrichter auch weiterhin nicht generell erneuern, sondern nur dann, wenn sie defekt sind.

Lutz
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weiser_uhu
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von weiser_uhu »

Na klar, Lutz, sollte man sie drinlassen, wir hatten es ja schon mal davon.

Ein Selen-gleich-richt-er ist noch gut, wenn er beim Einschalten nicht gleich riecht.
Grüße vom
-charlie-
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frikkler
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von frikkler »

Lutz hat vollkommen Recht.
In meinem Graetz Comedia ist auch noch der alten Gleich riecht er drin. Stinkt nicht und wird auch nicht übermäßig warm. Die Werte stimmen auch.
Warum sollte man ihn also rausschmeißen?
Gruß,
Lukas
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von BugleBoy »

Und unter bestimmte Umstände könnte Selengleichrichter regeneriert werden (hatte mal das erlebt beim amerikanische Selen-Gleichrichter), nach einige Stunden Laufzeit steigt Spannung wieder nah an Soll, auch wenn es nicht ganz 100%.

Ich schmeisse Selen-Gleichrichter auch nicht gleich raus, nur wenn der zu warm wird oder kaputt ist.

Grüss
Matt
すみません
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röhrenradiofreak
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von röhrenradiofreak »

Wie ich schon mehrfach geschrieben habe, bin ich auch kein Anhänger der Razzia von bestimmten Bauteilen.

Den generellen Tausch von Papierkondensatoren kann ich ja noch nachvollziehen, vor allem, wenn man keine geeigneten Mittel zur Prüfung derselben hat.

Bei den Elkos sieht es schon anders aus. Klar kommt es vor, dass einer defekt ist. Aber sollte man deshalb gleich alle Sieb-, Ratio- und Kathodenelkos erneuern? Bei den Radios, die ich bisher in den Fingern hatte, lag deren Ausfallquote in der Größenordnung von 1 %. Wenn sie 50 Jahre durchgehalten haben, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie noch viele Jahre funktionieren, durchaus gegeben.

Bei den bekanntermaßen ausfallträchtigen Widerständen, die u.a. in Philips-Geräten zu finden sind, sieht es ähnlich aus. Zumal man diese ganz einfach mit jedem Multimeter prüfen kann.

Manche Leute erneuern auch bei jedem Gerät alle Röhren. Mal abgesehen davon, dass das durchaus ins Geld geht: Auch bei 50 und mehr Jahren alten Röhren liegt die Ausfallquote, über alle Typen, allenfalls im unteren einstelligen Prozentbereich. Das ändert natürlich nichts daran, dass manche Typen häufiger defekt sind als andere. Aber diese kann man ja gezielt erneuern, wenn sie defekt sind.

Was könnte man bei einem Röhrenradio noch alles vorsorglich erneuern, weil hin und wieder einmal ein solches Teil defekt ist? Den Netztrafo, die Röhrenfassungen, die Lautsprecher, ...? Der Lack und der Lautsprecherstoff wurden vielleicht sowieso schon erneuert, weil sie nicht mehr neuwertig aussahen. Ich finde, das ist nicht der richtige Weg, weil irgendwann von dem historischen Gerät nicht mehr viel übrig ist.

Lutz
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Radiomann
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von Radiomann »

Wie ich schon mehrfach geschrieben habe, bin ich auch kein Anhänger der Razzia von bestimmten Bauteilen.
Schön, das auch wieder einmal zu lesen. :super:

In Foren scheint bei Anfängern meist die "Kondensatorkur" an erster Stelle zu stehen.
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von röhrenradiofreak »

Nicht nur bei Anfängern.

Es gibt eigentlich nur ein Argument dafür, mit der Kondensatorkur zu beginnen, nämlich das, dass schlechte Papierkondensatoren für viele Fehler verantwortlich sind, und dass viele Hobbybastler keine geeigneten Mittel zur Überprüfung derselben haben.

Es gibt aber mehrere Argumente dagegen. Zum Beispiel, dass man beim Wechseln der Papierkondensatoren in einem Radio, das nicht spielt, leicht unerkannt zusätzliche Fehler einbaut (falscher Wert, an der falschen Stelle angelötet, nichr richtig verlötet, versehentlich einen frequenzbestimmenden Kondensator getauscht usw.). Oder dass nach der umfangreichen Arbeit, alle Papierkondensatoren zu tauschen, die Enttäuschung, dass das Radio immer noch nicht spielt, so groß ist, dass derjenige die Lust verliert. Oder dass ein Radio, auf dessen Chassisunterseite ein Dutzend blaue Wimaklötze oder gelbe Chinabonbons glänzen, nicht mehr originalgetreu aussieht.

Deshalb halte ich die pauschale Empfehlung, bei einem Radio, das nicht oder nicht richtig spielt, erst einmal alle Papierkondensatoren und eventuell weitere Teile zu erneuern, für falsch. Wer nicht die Mittel hat, Papierkondensatoren sinnvoll zu prüfen, sollte sich bei einem Radio, das nicht spielt, entweder auf das Erneuern der Exemplare beschränken, die später sowieso erneuert werden müssen (wenige Koppel- und Entstörkondensatoren) oder sich besser, bevor er auf Verdacht irgendwelche Bauteile tauscht, auf eine systematische Fehlersuche begeben.

Das gleiche gilt sinngemäß für Selengleichrichter, Elkos und alle anderen Bauteile.

Lutz
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hmueller
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von hmueller »

Das ist genau meine Meinung.
Daher bleibt bei mir z.b. auch der Lack drauf, selbst wenn er schon lange nicht mehr perfekt ist.
Was die Papierkondensatoren angeht:
Ich Messe meine immer, aber habe in den letzten drei oder vier Patienten vielleicht zwei gefunden, die noch ok waren....
viele Grüße,

Matthias.
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von olli0371 »

Hallo,

nochmals zu den Selengleichrichtern.
Ich konnte in meiner bisherigen Tätigkeit auch kein großes Gleichrichtersterben ausmachen. Ich musste den Selengleichrichter nur bei einem Gerät ersetzen, weil er einen zu großen Längswiderstand hatte. Da mir noch NOS Flachgleichrichter zur Verfügung standen, habe ich auch wieder einen Selengleichrichter eingebaut.

Ich freue mich ebenfalls, dass es doch noch Leute gibt, die Wert auf orginale Bauteile legen :super: und bei Fehlern eine Fehlersuche durchführen und auch noch etwas dabei lernen.


Gruß
Oliver
Nette Grüsse aus dem Ruhrgebiet.

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Re: Selengleichrichter

Beitrag von EQ80 »

Vielen Dank Lutz, für deine interessanten Ausführungen insbesondere zu den Selengleichrichtern.
Ich habe hier auch einiges an Ausbauware auf Lager. Ich habe davon bei den meisten den Durchgangswiderstand gemessen und vermerkt. Das ist ein guter Anhaltspunkt für den Zustand des Gleichrichters.
Im Bedarfsfalle setze ich dann Gleichrichter mit eher niedrigem Durchgangswiderstand ein. Bisher bin ich damit ganz gut gefahren und spare mir so meistens die wenig schönen Vorwiderstände mit Silizium "Hilfskonstruktionen".
Viele Grüße

Frank
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von röhrenradiofreak »

Den Ersatz durch Silizium und Vorwiderstand kann man bei geschlossener Bauform ganz gut im Gehäuse des Gleichrichters verstecken. Das habe ich jedenfalls mit dem erwähnten defekten Gleichrichter gemacht: ausgeräumt, eine 1N4007 mit parallelem 220 pF-Kondensator und in Reihe dazu einen 100 Ohm-Widerstand eingebaut, letzteren habe ich wegen der geringen verfügbaren Bauhöhe und der mindestens erforderlichen Belastbarkeit von 0,72 Watt aus 5 parallel geschalteten 470 Ohm-Widerständen aufgebaut. Das ganze vor dem Wiederverschließen mit Dichtmasse gefüllt, damit die Wärme besser abgeleitet wird. Dieser Gleichrichter wird, wenn er irgendwann einmal zum Einsatz kommt, sicher ein langes Leben haben.

Lutz
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Niko
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von Niko »

Hallo,
zum Thema Selengleichrichter habe ich auch eine Frage:

im letztens von mir reparierten Loewe-Opta Venus Plastik ist ein AEG-Selengleichrichter (schwarz, Säule) verbaut. Das Gerät spielt sehr gut, allerdings liegt die Spannung am 1.Elko etwa 10% unter dem Sollwert, und der Gleichrichter wird doch recht warm. Im Dauerbetrieb stabilisiert sich die Temperatur auf 61 °C.

Allerdings handelt es sich um den Typ B250C90, also für 90 mA ausgelegt, wenn ich mich nicht irre. Das ist bei einem Soll-Strom von 86 mA doch ziemlich knapp dimensioniert. Unter diesen Umständen könnte die Erwärmung normal sein - oder sollte ich den Gleichrichter rauswerfen?

Gruss,
Niko
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von BassDrive »

sehr interessantes Thema!
Bis jetzt hab ich meist nur Papierkondis gewechselt die an wichtigen Stellen lagen, oder eben Teile, die offensichtlich defekt waren.
Es gab aber auch schon mal den ein oder anderen Papier-Kondi der so verwinkelt/tief verbaut war, wo ich befürchten musste, dass ich evtl. mehr kaputt machen könnte als es im Endeffekt bringen kann. Einzige Ausnahme: Koppelkondis, da habe ich zuvor das ein oder andere Foto und mir die Arbeit gemacht.
All diese Geräte spielen allerdings wunderbar.

lg
Pat
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von eabc »

Da Selengleichrichter altern und sich das mit der Erhöhung des Innenwiderstandes und der Zunahme der Gehäusetempertur zeigt, sollten Sie z. B. durch eine/vier Si. Dioden des Typs 1 N 4007 ersetzt werden. Der zuwachse der Gleichgerichteten Spannung sollte durch vorschalten eines Widerstandes von 80 - 160 Ohm/ 5 W auf den Sollwert zurück gebracht werden
M.f.G.
harry

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- Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.
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paulchen
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Re: Selengleichrichter

Beitrag von paulchen »

...und so man es richtig machen will lötet man über jede Diode des Gleichrichters noch einen Kondensator von 5-10nF mit entsprechender Spannungsfestigkeit. Der AM-Empfang wird es danken.

paulchen