Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Fragen zum Betrieb von alten Radios und zum Anschluss von externen Geräten.
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achim1
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Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von achim1 »

Hallo Jungs,
mir brennt da eine Frage auf den Lippen. Das Tefifon KC/1 das ich gerade restauriere hat ein komplettes Metallgehäuse, ist aber werksmäßig mit einem 2-poligen Kabel ausgestattet, müsste also in die Kategorie "schutzisoliert" fallen. Wie ist das mit einem Metallgehäuse vereinbar?
Auch sonst wurden keinerlei Vorkehrungen getroffen, um zu verhindern dass eine abfallende Phase mit dem Gehäuse in Kontakt kommen kann. Die Netzleitung ist durch eine Gummitülle geführt, steckt in PVC-Schläuchen und ist am Ende mit einer herkömmlichen Pertinaxleiste mit Lötlaschen verlötet.
Ist das so in Ordnung und ein gefahrarmer Betrieb möglich? Ich meine, es ist unwahrscheinlich dass eine Lötstelle an der Pertinaxleiste aufgeht, aber völlig ausgeschlossen natürlich nicht.
Eine Alternative wäre vielleicht, das verlötete Kabelende zusätzlich zu fixieren, dass es keine Metallteile berühren kann, bzw. das Gehäuse auf der Innenseite in den Bereich um das Kabelende zu isolieren.
Ein 3-poliges Kabel will ich eigentlich nicht verwenden weil mir Originalität wichtig ist.

Gruß,
Achim
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Schlappmacher
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von Schlappmacher »

Hallo Achim,

Die Schutzklasse Schutzisolierung und Metallgehäuse sind sehr wohl miteinander vereinbar. Schau Dir moderne "Braunware" alias Konsumerelektronik an... Wenn auch die Luft- und Kriechstrecken passen, ist dies auch kein Problem. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Schutzisolierung

Mit Verlaub, die Tefifons wären einfach konstruktiv unzulänglich, wenn dort keine zusätzliche Isolierung vorhanden wäre. Von Deiner Schilderung her scheint doch aber alles i.O.
Ich würde pragmatisch vorgehen, und die PVC-Schläuche ersetzen und mit Schrumpf- oder Iso-schläuchen und weiteren Massnahmen die Isolierung verbessern.

Frohes Schaffen,

Der Schlappmacher
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von hoeberlin »

Hallo, Achim,

Grundsätzlich galt damals, das bei versagen einer Isolierung keine berührbaren Teile Spannung führen durften.

Das ist hier dadurch gegeben, das die isolierte Netzleitung in einem zusätzlichen PVC Schlauch geführt ist, und beim Eingang durch eine Gummitülle geschützt ist.

Die Verlötung in Lötleisten oder Schaltern musste so ausgeführt sein, das bei versagen des Lots, z. B. kalte Lötstelle oder Überhitzung, der Draht nicht herausrutschen kann. Das wurde üblicherweise durch umbiegen in der Lötöse vor dem verlöten erreicht.

Somit entspricht das Gerät den damaligen Vorschriften.

Riskant wird es immer dann, wenn das Umbiegen der Drähte unterlassen wird, mir wurde mal auf einem Treffen ein Radio zur Reparatur gegeben, da stand das Chassis unter voller Netzspannung, weil das Umbiegen unterlassen wurde, und zudem die Lötstelle geklebt, nicht aber verlötet war.

VG Henning
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achim1
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von achim1 »

Danke euch beiden. Grade der Passus in Wikipedia macht mich stutzig:
Dabei kann auch ein metallenes Gehäuse innen oder außen zusätzlich vollständig isoliert werden. Die zusätzliche Isolierung darf an keiner Stelle unterbrochen sein, auch nicht an einem Schalteranschluss.
So kenne ich das z.B. von einem Trenntrafo. Metallgehäuse und innen vollständig mit Teerpappe beschichtet. Das Tefi hat nichts von alledem. Der Netzschalter ist nicht mal durch eine Gummitülle geführt.
Schutzisolierung.jpg
Netzschalter.jpg
Gruß,
Achim
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radiofreddy
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von radiofreddy »

nicht umsonst lagen die Stromunfälle in den Fünfzigern noch mit den Verkehrsunfällen ganz vorne, während sie heute kaum noch eine Rolle spielen. Das Tefifon stammt aus einer Zeit, wo Schutzkontaktsteckdosen noch Luxus waren, und zweipolige Netzstecker keinen Berührungsschutz der Pins haben mussten. Du wirst in jedem Gerät aus dieser Zeit Konstruktionen finden, die nach heutigen Sicherheitsstandards absolut haarsträubend sind - damals war das aber so. Ich habe z.B. eine Grundig Truhe von 1952, die mit einem separaten 375 Volt Anodenspannungsnetzteil bestückt ist. Die Leitung, mit der diese 375 Volt quer durch das Gehäuse zum Radio geführt werden, ist ein dünner Klingeldraht, der zusammen mit allen anderen Leitungen ( z.B. Lautsprecher ) ans Gehäuse getackert ist.

Man sollte einfach ein paar ganz einfache Vorsichtsregeln einhalten, dann passiert auch mit solchen "unsicheren" Geräten nichts. Über einen Hauptschalter bei Nichtbenutzung den Strom abschalten, die Geräte nur einschalten, wenn man im Zimmer ist, keine Kinder dran rumspielen lassen usw. . Der Einbau aktueller Sicherheitsstandards in Geräte aus der Röhrenära ist zum einen meist nicht möglich, zum anderen beschädigt er die Originalität.

Gruß Frank
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Stefan163
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von Stefan163 »

Frank hat das ja schon gut beschrieben, wie die Standrds der früheren Generation waren. Stromunfälle waren wohl häufiger, aber auch der Aufstellplatz des Gerätes sicherer, als heute.
Eine typische Wohnung hatte eine Holzbalkendecke, Dielenboden und Teppich. Geerdete Heizkörper gab es nicht überall, der (Kachel)ofen war nicht an eine Erdung angeschlossen. Damit war Dein Standort standortisoliert, also die 2. Isolierung.
Antennen waren 2 drähtig symmetrisch (240 Ohm) ohne Erde... kein Kabelnetz mit o,5 Ohm Erdwiderstand.
Und es gab kaum Schukosteckdosen.
Um jetzt einen Stromschlag zu bekommen, musstest Du ja ein geerdetes Gerät berühren, während Du mit dem defekten Tefifon hantierst.
Gefährlich wurde dieses System erst mit der Einführung von Eisenbetondecken, geerdeten Heizungen und Schukosteckdosen. Nun bestand die Möglichkeit, eine Erde zu berühren, und einen Stromschlag zu erhalten.
Es ist (und war immer) verboten, Normal und Schukosteckdosen in einem Raum zu installieren, z.B. eine Schukodose ohne Auswechselung der Normalsteckdosen nachzusetzen.
In Räumen mit geerdeten Einrichtungen, Feuchträumen und Badestuben mußten immer Schukodosen gesetzt werden, und angeschlossene Geräte müssen einen Schutzleiter haben, es sei denn sie waren schutzisoliert. Dann haben sie einen Konturenstecker, der ein Einführen in Schukosteckdosen ermöglicht, aber keinen Erdstift aufweist.

Geräte mit Normalstecker mußten nicht zwangsweise schutzisoliert sein, auch das Tefifon nicht. Das Tefifon erfüllt die Schutzklasse 0 (keine zusätzliche Schutzmassnahme), und kam dann mit Normalstecker. Da ein solcher Stecker nicht in Schukosteckdosen passt, ist ein Betrieb mit geerdeten Geräten zusammen unmöglich. Dass jetzt 2 Geräte gleichzeitig einen gegenläufigen Fehler aufweisen, ist wohl sehr unwahrscheinlich. Im Falle Deines Tefifons würde zudem über den Schirmanschluß ein "Potentialausgleich" hergestellt, der dann im doppelten Fehlerfall die Sicherung auslöst.

Der ursprüngliche Schukostecker, der noch im Großhandelskatalog 1926 abgebildet ist, hat einen Erdstift in der Mitte zwischen den Versorgungsstiften, es gibt ihn heute noch in der Schweiz, und in ähnlicher Form teilweise in Italien.
Durch das o.g.Problem des gemeinsamen Betriebes von Klasse 0 Geräten mit Klasse 1 Geräten, hat man in D aber den Schukostecker in der bekannten Form eingeführt.
Dieser läßt sich im Normalsteckdosen einführen, umgekehrt können aber Klasse 0 Geräte nicht an Schukodosen betrieben werden.
In der Schweiz hat man dann die Einsteckebene zurückversetzt, wie bei Schuko, und somit passen Kl 0 Stecker nicht mehr.

Also nochmal kurz: Geräte der Klasse 0 und 2 haben keinen Schutzleiter. Geräte der Klase Null werden aber seit Jahrzehnten nicht mehr hergestellt.
Selbst Wohnraumleuchten dürfen eigentlich seit Jahrzehnten nur "Schutzisoliert" verkauft werden, und wer mal genau hinschaut, findet das auch.

In meiner Stadtwohnung habe ich einen elektrischen Eisschrank der AEG. Hergestellt 1927 verrichtet der beste Dinge. Das Gehäuse ist aus Holz mit Korkdämmung, aber der Motorrahmen der Kältemaschine aus Eisen. Durch vorgesehene Aufstellung in der Küche, war der immer mit einem Schukostecker verbunden.

Grüsse

Stefan
achim1
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von achim1 »

Danke für die Erklärungen. Eines meiner anderen Tefis hat noch den wohl originalen Standardstecker der nicht in unsere Dosen passt. Dafür gab es aber Adapterkabel.
Was mach ich jetzt am besten? So lassen wie es momentan ist, also zwei-adrige Leitung mkit Schukostecker und nicht belegtem Schutzleiter?

Gruß,
Achim
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von radiofreddy »

ich würde das komplette Kabel tauschen, und das Original mit Stecker weglegen für den Fall, dass Du den Originalzustand wieder herstellen willst. Das neue Kabel kann dann ruhig dreiadrig sein, Schrauben, an denen man den Schutzleiter befestigen kann, sind genug vorhanden, und der Schutzleiter schadet ja nichts. Das Einzige, was ich nicht machen würde, ist, für den Schutzleiteranschluss Löcher zu bohren o.ä. .

Gruß Frank

@stefan - ich hab Dein Posting grade erst gelesen, danke für die umfangreichen Erklärungen. Ein Eisschrank von 1927, das würde mich auch mal interessieren :super: .
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von klausw »

Alles verschärftes Weicheitum, Jungs :twisted: . Nicht geerdetes Tefifon, pah...

Ein richtiges Radio sieht sooo aus:
http://www.radiomuseum.org/r/aeg_geatron_4w.html
Ganzmetallgehäuse, 2 Anodenwicklungen, und natürlich wollen die alten AM-Empfänger ja Antenne und ERDE. Also immer schön aufpassen, wenn das Gerät unter Spannung steht und man den ERDleitungsbananenstecker zum Einstecken in der Hand hat.
Im Normalfall passiert da nix, aber...

Bei dem hier (in meiner Sammlung) http://www.radiomuseum.org/r/saba_31wl.html
hatte der Trafo Schluss der Primärwicklung zum Metallchassis. Und das ist von außen berührbar, am Sockel.
Der Teufel ist halt manchmal ein Eichhörnchen.

Gruß
k.

k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
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Re: Schutzisoliert, Schutzgeerdet oder gar nix??????

Beitrag von Stefan163 »

radiofreddy hat geschrieben:
@stefan - ich hab Dein Posting grade erst gelesen, danke für die umfangreichen Erklärungen. Ein Eisschrank von 1927, das würde mich auch mal interessieren :super: .
Hallo Frank.
Der Wunsch kann bedingt erfüllt werden.

Ich habe auf diesem Rechner jetzt keine aktuellen Bilder des restaurierten AEG Santo. Sondern nur welche, die den Zustand beim Erhalt zeigen. Da sah das ganze nicht richtig schön aus.
Bei 25° C Aussentemperatur erreichte ich -27°C in der Spitze, also etwas mehr, als die angegebenen 50° C Temperaturdifferenz.
Kühlmittel ist Schwefligsäure (SO2).
Dabei war ein altes Photo, welches den Kühlkasten 1943 nach einer britischen Befreiungsaktion (die Familie war durch eine Bombe von ihrem Haus "befreit" worden, und der Eisschrank aus seinem Gefängnis in der Küche) im Garten vor der Ruine zeigt. Hängt heute über dem Kühlschrank mit der Untertitelung "Der befreite Kühlschrank".
santo1.jpg
santo3.jpg
Der Wechselstrommotor wurde dann nach dem Krieg nachgesetzt, und ersetzt den Gleichstrom-Kollektormotor des Originals.
santo2.jpg
Und: Kein Aprilscherz. Wir wissen doch alle: Heizsaison ist vom 1. Nov bis 31.März. D.h. in dieser Zeit braucht man keine elt. Kühlung.
santo6.jpg
Noch ein Bild nach Fast-Fertigstellung:
santo130.jpg
Und nun Schluß mit off-topic.

Grüße

Stefan
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