Edis Praxistips: Skalentriebe gängig machen

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edi
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Edis Praxistips: Skalentriebe gängig machen

Beitrag von edi »

Hallo, Dampfradiofreunde,

Hier mal eine Arbeit, die ich sehr oft, aber auch gern mache:

In vielen Ex- DDR- Geräten, aber auch anderen Fabrikaten, ist der Skalenantrieb extrem schwergängig, bis total fest.
Speziell Geräte, in denen ein Drehko mit eingebauter Untersetzung verwendet wurde, ist dieser durch Verharzen des Fettes, das die Untersetzung schmieren sollte, schwer drehbar geworden. Gerade die Lagerung von Geräten in Kälte oder Feuchtigkeit (Container von Trödlern) lassen Skalentriebe oft unbrauchbar werden.

Das betrifft bei DDR- Geräte nahezu alle Transistor- Heimgeräte, aber reicht zurück in die Röhrengeräte der Anfang 60er, z. B. beschreibe ich dies bei der Restauration eines Capri (hier)

Ölen mit Kriechölen bringt`s nicht... wenn es überhaupt etwas bringt, dann, daß der Drehko überhaupt drehbar wird, leichtgängig... kaum.
Und dann... "hält es von 12 bis Mittag"... sind die leichtflüchtigen Bestandteile des Kriechöls verflogen, isser so fest wie voerher.
Oder noch fester.

Hier wurde ein "Dreibock" mit einer Ritzel- Antriebswelle verwendet. Das Ritzel greift in ein auf dem Drehko- Rotor befestigten Zahnrad ein.
Fest ist nur die Ritzelwelle in einem "Dreibock" mit dem Lager.
Um spielfreie Abstimmung zu ermöglichen, besteht das Rotor- Zahnrad aus 2 gegeneinander mit einer Feder verspannten dünnen Zanhnrad- Scheiben- Segmenten.

Hier ein Beispiel, ein festgegangener Drehko im Radio- Kassettenrecorder Stern Radio Berlin "R160".

Dazu ist die Seilrolle des Drehkos zu lösen (Madenschraube), die Seilrolle abzunehmen, ohne das Skalenseil fallen zu lassen, und die Seilrolle auch so mit etwas Klingeldraht zu fixieren, in diesem Fall an der Beleuchtungs- Soffitte.

Ist eine Fummelarbeit... Wurstfinger sind hier eher hinderlich... :-)

Danach können die 3 Schrauben des Dreibocks gelöst werden.

Dabei ist auf die gespannte Feder an den Rotor- Zahnrädern zu achten !
Kann man auch mit einem Stück Bindfaden sichern.

Die Ritzelwelle ist mit einem Nutenring gesichert. Nutenring raus, nun kann die Welle aus der Buchse entfernt werden. Geht manchmal sehr, sehr schwer.
Gewalt ist aber nicht erforderlich. heißes Wasser hilft auch.

Achtung ! Wenn extrem schwergängig oder total fest: Nur mit Zange an der Skalenrollen- Welle anfassen !
Niemals das Ritzel mit einer Zange zu drehen versuchen ! Das Zahnrad (Messing oder Bronze) geht sofort kaputt.


Dann mit Alkohol Welle und Buchse vom alten Fettharz befreien. Gutes Fett rauf, und wieder zusammenbauen.

Und dann das Ganze wieder in umgekehrter Reihenfolge zusammenbauen.
Die Rotor- Zahnrad- Segmente so einstellen, daß die Spannfeder gerade gespannt ist- zuviel Spannung ist nicht nötig, macht nur den Skalentrieb schwergängig, und läßt den Antrieb verschleißen.
Darauf achten, daß das Ritzel richtig eingreift.
Die Feder kann man einhängen, wenn der Dreibock sitzt. Fummelarbeit... Feder sichern mit Garn ist sicher nicht verkehrt. Die Flugbahn einer Feder endet nach Murphy mit hoher Wahrscheinlichkeit in genau der Ecke, die noch für Jahre unerreichbar sein wird.

Nun sollte der Drehko schön leicht gehen... Freu...

Aber wir machen's ja richtig... so ein Skalentrieb beeindruckt erst so richtig durch Präzision und Leichtgängigkeit, wenn man ALLE Teile leichtgängig macht !
Tut man das nicht... ist man enttäuscht, Drehko leichtgängig, aber die Zeigerknopf- Welle dreht sich, nimmt aber an manchen Stellen immer noch das Seil nicht mit...
Nun... die Innenseite der Bohrung der Umlenkrollen... ist im Laufe der Jahrzehte riefig und rauh (a. R.) geworden. Mehrere Rollen haben dann schon eine solche Reibung, daß der Skalentrieb auch bei leichtgängigem Drehko noch nicht will.

Also: Vorsichtig ALLE Skalenseil- Umlenkrollen (natürlich NACHEINANDER) nach Lösen des Nutenrings anheben, eine Nadelspitze Fett drunter, Rolle zurück, Nutenring rein... OK.

Ganz zum Schluß geben wir prophylaktisch eine Nadelspitze Öl (wirklich nur eine Nadelspitze !) auf die Lagerstellen des Rotors.
Und weil wir schon dabei sind: Die Massefedern oder Schleifkontakte des Drehko- Rotors möchten auch Pflege, damit der Drehko nicht beim Durchdrehen krachelt: Gutes Kontaktmittel oder Kupfer- Leitpaste (original vom Hersteller verwendet) sind die Mittel der Wahl.
Siehe auch hier

Tja... beim Häkeln können wir eine Masche fallenlassen, aber fällt bei diesen Arbeiten das Skalenseil ab, hat man sich ein Hobby geschaffen... bei manchen Geräten hilft da nur noch der Seillaufplan...

Also das tun, wenn man wirklich die Ruhe dafür hat.

Viel Spaß beim Skalentrieb gängig machen wünscht
Edi

Bild
Radio- Kassettenrecorder "Stern Radio R160", Skalentrieb fest

Bild
Drehko- bzw. Tuner- Seilrolle mit Draht "irgendwo antüdeln",
3 Schrauben des Dreibocks lösen.

Bild
Der "Dreibock"

Bild
Der Nutenring

Bild
Die gegeneinander verspannten Zahnrad- Segmente,
Pfeile auf Feder und ihre Einhängepunkte

Bild
Nicht vergessen: ALLE Umlenkrollen möchten gepflegt werden !
Zuletzt geändert von edi am Fr Aug 06, 2010 20:05, insgesamt 1-mal geändert.
hoeberlin
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Genau so! und nur so!

Beitrag von hoeberlin »

Ich kann diese Vorgehensweise, die hier sehr schön erklärt wurde, nur unterstützen.

Alles andere ist Murks! Wenn ich davon höre, dass Öllöcher in solche Lager gebohrt wurden etc..... grausam!

Auch bei "Westgeräten" ist diese Welle am Drehko oft fest. Manchmal ist das Lager aber nicht als "Dreibock" abschraubbar, sondern fest eingepresst. Dann muss auf der Innenseite ein Sicherungsring entfernt werden, und die Welle nach außen heraus. Das macht sich am Besten, wenn das Drehkorad noch dransitzt. Das Skalenseil nehme ich immer kpl ab, es lässt sich nachher, da bereits einbaufertig, ohne große Probleme wieder auflegen. Für die Umlenkrollen habe ich mir angewöhnt, diese immer abzunehmen, und den Lagerbolzen und die Bohrung in der Rolle zu reinigen und etwas zu ölen.
Nochmals DANKE für die bebilderte Erklärung!

Henning
edi
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Beitrag von edi »

Vorsichtiges Ausdrücken im Schraubstock der festgekeimten Welle, mittels einem passenden, hohlen Rundmaterial- Stück, kann manchmal zum Erfolg führen.

Hierbei natürlich auch auf das Ritzel achten !

Edi
nordmender
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Skalenantriebe gängig machen

Beitrag von nordmender »

hier noch ein Tipp aus der Erinnerung heraus...
Oft waren die 3 Schrauben für den Lagerbock des Ritzel ungleich lang,bzw. mit Unterlegscheiben versehen.
Bei Nichtbeachtung beim Wiedereinbau ist der nächste Drehkoschluß vorprogrammiert.

Gruß
Claus
Wer mit der Röhre hört,der hört,wie es richtig röhrt :D
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Beitrag von edi »

hier noch ein Tipp aus der Erinnerung heraus...
Oft waren die 3 Schrauben für den Lagerbock des Ritzel ungleich lang,bzw. mit Unterlegscheiben versehen.
Bei Nichtbeachtung beim Wiedereinbau ist der nächste Drehkoschluß vorprogrammiert.
Ja, Nordmender, Ihre Erinnerung täuscht Sie nicht- solche Ausführungen hatte ich auch öfter auf dem Tisch- kann jetzt nicht mehr sagen, welche, kann durchaus auch in einer Serie vorkommen, wenn die Konstruktion des Antriebs zwischendurch geändert wurde.

Also absolut ratsam, darauf zu achten.

Danke für den wichtigen Hinweis !


Edi

PS: Ich habe mal bei der Reparatur eines Citroen- Motors (wegen defekter Zylinderkopfdichtung) die verschieden langen Zylinderkopfschrauben verwechselt.
Ich habe auch alle bis zum Anschlag reindrehen können...
:twisted: :twisted: :twisted: