
Nun zu der Ballade


Auf den ersten Blick sieht das Gehäuse noch gut aus, jedoch kann man den Kunstharzlack mit den Fingernagel abschaben, außerdem muß dort mal eine unbekannte Flüssigkeit rübergelaufen sein. Teilweise ist sie auch im innern über das Chassis gelaufen und hat dabei auch Schaltkontakte verklebt.

Also alles runter, mit Schabeklinge und danach geschliffen. Erst mit Papier, zum Schluß nur noch Stahlwolle. Das dauert zwar länger, aber die Oberfläche wird deutlich glatter, was bei der Schelllackpolitur die hier angewendet wird , von Vorteil ist.

Das fertig geschliffene Gehäuse ist nun schon gebeizt. Für Schellackpolituren verwende ich grundsätzlich nur Wasserbeizen, ganz so wie ich es von meinem Großvater, der gelernter Möbelpolierer war, überliefert bekommen habe. Die Frontumrandung setzt sich nun schon etwas von der Farbe der äußeren Gehäuseflächen ab. Nachdem die Beize getrocknet ist, wird wieder mit feiner Stahlwolle geschliffen.

Unschwer zu sehen, ich beize mit einem Schwamm. Die äußeren Konturen der Umrandung haben schon dunkle Farbe. Die restlichen Gehäuseflächen entsprechen Nußbaumfurnierfarben

Erste Schellackschicht! Noch ohne Bimsmehl! Das hat seinen Grund, denn die Frontumrandung bekommt extrem dunkles Schellack. Damit es hier keine Durchfärbung bis zum Furnier gibt, ist klarer Schellack als Grundierung gedacht. Geht was schief, bekommt man die dunkle, fast schwarze Schicht mühelos wieder runter.

So langsam baut sich die Oberfläche auf. Bimsmehl benötigte ich sehr wenig, da die Furnieroberfläche sehr fein geschliffen war und kaum die typischen Vertiefungen hat. Alle 10 Schichten wird aber dennoch mit Stahlwolle geschliffen, allerdings nur mit der feinsten Sorte! Die Schlieren stammen vom Polieröl, das bei jedem Poliervorgang angewendet wird. Jedoch sollte man damit sparsam umgehen, da es auch die einzelnen Politurschichten trennen kann.

Das nun schon wieder fertig zusammengebaute Radio. Etwa 50 Schichten Schellack befinden sich auf der Oberfläche. Die letzte Politur bekommt die Oberfläche durch ein leicht mit Polierspiritus (98%) Alkoholanteil! getränkten Polierballen, der nur für diesen Zweck verwendet wird. Damit hole ich die Polierölreste runter. Das geht auf diese Art, die mein Opa immer angewendet hat , am besten! Hochglanz der so knackig ist, das sich die Holzmaserung von der Wandverkleidung drin spiegelt, ist das verdiente Ergebnis.

Die schwarze Frontumrandung zeichnet sich schön ab. Ob es wohl auch so 1952 durch die Endkontrolle gekommen wäre? Jeder, der sich an dem Gehäuse beschäftigt hat, ist innen mit Namen, Datum und Unterschrift dokumentiert. Endmontage war am 18.12.1952 Wo mag es wohl auf dem Gabentisch zu Weihnachten gestanden haben? Oder sorgte es zur Jahreswende 52/53 für fetzige Musik zur Silvesterparty?

Die Lautsprecher Schallwand ist leider nicht mehr Original. Der alte Stoff hat sich fast aufgelöst bei der Reinigung. Mit dem aufpolierten Messingzierrat zusammen, paßt dieser Stoff aber auch.

Technisch wieder wie 1952, jedoch ohne Teerbomben und Elkos aus der alten Zeit. Das Blaupunkt kommt in meine Sammlung, die ich nun überwiegend auf diese Firmen Marke ausdehnen werde. Der nächste Patient ist ein NU 640 Un, ein Allströmer. Auch bei diesem Gerät werde ich wieder Schellack anwenden, weil es mir wesentlich leichter fällt, diese Politur anzuwenden. Da ist wohl doch etwas vom alten sächsischen Möbelpolierer in meinen Genen.
