Vom häßlichen Entlein zum Büroradio- Nordmende Skandia 7/615

[captain.confusion]

Hallo!

Ich möchte Euch die Restaurierung eines Nordmende Skandia 7/615 vorstellen.,
Dazu erstmal ein die Vorgeschichte:
Unser Nordmender suchte vier Plastikfüße für ein Nordmendegerät aus dieser Zeit. Da erinnerte ich mich, dass ich mal vor einiger Zeit auf dem Flomarkt ein Skandia gekauft hatte. Ich konnte jedoch nicht gleich auf Nordmenders Anfrage reagieren, da das Radio etwas unzugänglich auf dem Garagenspeicher lagerte. Die Suchanfrage hatte sich mittlerweile anders erledigt. Aber ein „Arbeitsauftrag“ meiner Frau führte mich auf den Garagenspeicher. Nachdem der erledigt war, kramte ich das Radio raus.
Da stand es nun. Optisch hat es mir nie wirklich gefallen, ich mag die skandinavische Form nicht wirklich. Auf dem Flomarkt für einen Fünfer mitgenommen - das waren ja schon die Röhren mindestens wert – sollte es als Ersatzteilspender dienen. Funktioniert hatte es, daran konnte ich mich sicher erinnern.
Da stand es nun, ziemlich dreckig, ein Knopf fehlte – und schaute mich irgendwie traurig an. Also nahm ich es mit in die Werkstatt.
Röhren rein, Saft drauf, es spielte gut, sauberer Empfang nur der Klang war nicht 100%. Außerdem stellte ich fest, dass die Aus-Taste ohne Funktion war. Sie löste zwar die Wellentasten aus, unterbrach aber nicht die Stromzufuhr.

Was mach ich bloß mit Dir dachte ich, irgendwie bist Du zu noch zu fit zum Ausschlachten. Ins Wohnzimmer kommst Du mir nicht, dazu bist Du nicht hübsch genug. Auch nicht ins heimische Arbeitszimmer.
Aber vielleicht darfst Du mit in die Arbeit, im Büro ist es immer schön warm.

Eigentlich wollte ich im Büro kein Röhrenradio. Dort tat bis vor ca. 2 Monaten eine Plastikkiste ihren Dienst. Seitdem ein Grundig RF 511, also ein Transistorgerät. Auf das war aber schon am ersten Tag ein Kollege scharf, er wollte es mir rausleiern, ich ließ mich aber nicht.
Nun doch ein Röhrenradio? Ich hatte Bedenken wegen dem Röhrenverschleiß, immerhin läuft die Kiste 20-30 Stunden pro Woche.
Ich überlegte: ECC85 hast Du noch einige recht schlappe die zwar noch funktionieren, aber nicht mehr den vollen Empfang haben, die könnte man jedoch hier runterbrennen. Außerdem könnte man es noch mal mit der russischen 6N1P versuchen und ggf. den Zwischenkreis auf diese abstimmen.
Ähnlich sieht es mit der ECH81 aus. Auch hier habe ich noch einiges an schwächeren Exemplaren vorrätig.
Von der EBF89 hatte ich mal ein Konvolut mit 30 Stück gekauft, daran mangelt es mir nicht.
Auch habe ich noch einige leuchtschwache EM84 hier liegen, die könnte man auch noch verbrauchen.
Aber die ECL86? Mittlerweile eine sehr teure Röhre. Außerdem habe ich davon nur einen kleinen Vorrat. Eigentlich zu schade zum Runterbrennen. Da fiel mir ein, dass ich mal ein Konvolut mit bestimmt 20 PCL86 gekauft hatte. Das war die Lösung, ein Heizungsumbau.
Somit stand mein Entschluss, dass Skandia gibt mein neues Büroradio und das Grundig RF 511 bekommt mein Kollege verkauft.

Anfang der Woche habe ich das Gerät zerlegt. Vom Aufenthalt auf dem Garagenspeicher war es außen staubig, darunter aber ziemlich dreckig, auch der Bereich der Skalenscheibe und des Tastensatzes. Es sah aus, als ist da mal Cola o.ä. darüber gelaufen. Eine ähnliche Situation zeigte sich im Inneren. Alles ziemlich dreckig und speckig.

Ein paar Kondensatoren mussten noch gewechselt werden, es waren noch 5-6 Wima Durolit drin. Die flogen raus, ebenso der bröselige Ratioelko. Den Netzelko habe ich gemessen, der hatte noch 27 und 29 µf anstatt von 47 + 47 µf. Kein Wunder dass das Radio ziemlich brummte, also musste der auch raus.

Gestern machte ich mich an den Heizungsumbau für die PCL86. Zuerst versuchte ich es mit einer Spannungsverdopplerschaltung. Trotz großer Elkos von 4700 µ und Shottky-Dioden bekam ich maximal einen Heizstrom von 260-265 mA. Das war mir zuwenig, ich wollte keine Unterheizung von 15 %.
Dann halt einen zweiten Heiztrafo. In der Bastelkiste fand ich noch was, der Trafo hatte unbelastet 11,8 V, das sollte doch gerade so reichen. Da es schon etwas spät war hörte ich mit weiteren Versuchen auf.

Heute Abend ist noch mal ausführliche Bastelstunde. Es steht Chassisputzen und Heizungsumbau auf dem Zettel. Die Tage gibt es dann auch ein paar Bilder.

Viele Grüße
Frank

[captain.confusion]

Hallo!

Gestern habe ich an dem Skandia weiter gearbeitet. Zuerst habe ich das Chassis gereinigt. Das gestaltete sich ziemlich aufwändig, da es ziemlich dreckig war. Ich musste gut mit Kontakt WL, Bremsenreiniger und Tunerspray an die Sache ran. Dann noch mal alles mit dem Microfaserlappen nachwischen.
Dann waren die Knöpfe und die Skalenscheibe an der Reihe. Ich habe es ja schon gestern geschrieben, das sah irgendwie nach Cola, Kaffee o.ä. aus. Die Knöpfe erledigte mein kleines Ultraschallbad, wobei hier mehrere Durchgänge erforderlich waren. Die Skalenscheibe bereitete nicht so viel Probleme, die Plexiglasscheiben sind sehr robust, ich glaube die könnte man in der Waschmaschine reinigen, ohne dass sich da was von der Beschriftung löst. Also ran mit warmem Spüliwasser und einem Microfaserlappen. Als alles sauber war, was aber auch gut 2 Stunden dauerte, ging es an den Zusammenbau.

Nach dem Zusammenbau habe ich noch ein paar Tests mit verschiedenen Röhren durchgeführt. Was mir dabei wieder mal aufgefallen ist, ist der wirklich super Empfang den die späten Röhrenradio haben, sowohl auf FM als auch auf AM.
Das zeigte sich auch bei der ECC85. Der Empfang ist mit einer Röhre die 100% Emission hat nur ganz minimal besser wie bei einer, die an der Verschleißgrenze ist (55 %). Dann habe ich mal noch eine 6N1P getestet. Wieder Erwarten verträgt der UKW-Tuner die ausgezeichnet ohne was abzugleichen. Gleich guter Empfang wie bei einer guten ECC85.

Was mich an dem Gerät etwas wundert ist die Platinenbeschriftung. Es steht eindeutig EAF801 (siehe Bilder) drauf. Auf der Rückwand und dem Schaltplan ist aber eine EBF89 eingezeichnet. Diese habe ich auch verwendet. Offensichtlich stammt das Gerät aus einer Umstellungsphase bei Nordmende.

Als alles fertig war, habe ich noch eine kleine Platine für die Heizung der PCL86 gelötet. Das war hinsichtlich des Heizstromes wieder ziemlich knapp, da der Trafo unter Belastung gerade mal noch 11 Volt liefert. Mit Shottkydioden funktioniert es aber prima, ja nach Röhrenhersteller stellt sich ein Heizstrom von 0,295 – 0,305 A ein.

Was ich noch unbedingt bräuchte wäre ein Knopf für die AM-Abstimmung. Es könnte auch ein Knopfsatz (FM/AM) von einem anderen Radio sein. Optisch würde alles vom Skandia, Rigoletto, Turandot oder Carmen des Jahrgangs 65-68 passen. Ich würde aber auch einen anderen halbwegs passenden Knopf nehmen. Die Achse hat 4 mm und ist sehr kurz.

Hier nun die Bilder

Viele Grüße
Frank

[captain.confusion]

Hallo!

Hier noch ein Detailbild von dem Knopf und der Heizungsspannungsplatine:

[BugleBoy]

Hallo Frank

Da bist du nicht allein mit PCL86 als ECL86 Ersatz in Radio, bei dir hat Einsatz als Büro-Radio gute Grund ECL86 nicht zu verheizen..

B&O Grandprix hab ich auch auf 4x PCL86 umgebaut, da sitzt Trafo für Heizung versteckt hinten Endstufe.



Grüss
Matt

[klausw]

Sehr schöner Bericht. Hat wirklich Spaß gemacht zu lesen. Ich hätte mich von genau den gleichen Gedankengängen leiten lassen.

Bei mir ist es ein "Graetz Komtess 03F nordisch", von etwa 1966, gleiche Röhrenbestückung wie bei Deinem Gerät,
http://www.radiomuseum.org/r/graetz_komtess_03f.html

das ich auf dem Flohmarkt Mitte der 90er mal für 10 DM mitnahm, und das auch mal als Büroradio diente. Danach wanderte es wegen Bürowechsel in den Keller und verstaubte dort, da ich die Form ebenfalls nicht prickelnd finde.
Vor etwa 1 Jahr habe ich es wieder aufpoliert und meiner Mutter in die Wohnküche gestellt, die damit turboglücklich ist. Es läuft dort mehrere Stunden täglich, noch mit der Original-ECL86. Wenn die mal hin sein sollte, werde ich wohl auch auf PCL gehen.

k.

[captain.confusion]

Hallo!

Am Wochenende bin ich leider nicht zu viel gekommen.
Ich habe jedoch das Gehäuse mal ordentlich grundgereinigt. Nachdem ich schon einige Reinigungen gemacht habe, gibt es keine Bedenken mehr, wenn es auch mal mit etwas mehr Wasser an eine solche Sache geht.
Daher habe ich zuerst mal mit ordentlich Glasreiniger und einem ziemlich feuchten Microfaserlappen den groben Dreck entfernt. Was da für ein Schmaddel drin steckte. Diesen Vorgang habe ich dann zweimal wiederholt. Anschließend ging es mit Spüliwasser weiter, zwei Reinigungsgänge. Dann zweimal mit klarem Wasser „nachgespült“.
Übrigens reinige ich das Gehäuse innen genauso. Zuerst wird es ausgesaugt und dann folgen je nach Verschmutzungsgrad die o.g. Reinigungsgänge. Dass das Holz hier meistens nicht lackiert ist, sehe ich nicht als schlimm an. Man muss das Gehäuse nach einer solchen Krawallreinigung nur gleich an einen warmen Ort zum Trocknen stellen.

Das Ergebnis seht Ihr auf den Bildern. Die Oberfläche ist nun zwar sauber, aber auch ziemlich stumpf und matt.
Leider kam auch der fast schon obligatorische „Blumenvase-steht-auf-Röhrenradio-und-fällt-um-Wasserfleck“ besser zum Vorschein. Mal schauen wie ich jetzt weiter vorgehe. Ganz werde ich den Fleck wohl nicht wegbekommen. Viele stört ein solcher Fleck, mich eigentlich auch ein wenig, andererseits verleiht er dem Radio was Authentisches. Das Gerät ist ja auch ein Stück Geschichte mit guten und schlechten Tagen. Ist dann halt Originalzustand, bestmöglich aufgearbeitet und keine Totalrestauration (ich glaube dafür gibt es auch Fachbegriffe aus der Oldtimerszene).
Ich habe zu Hause so ein Mittelchen, das nennt sich „Flecken-König“. Das soll angeblich auch Wasserflecken beseitigen. Das werde ich mal ausprobieren. Anschließend gibt es eine Behandlung mit Clou Möbelpolitur.

Viele Grüße
Frank

[captain.confusion]

Hallo!

Das Skandia ist fertig. Es ist wieder zu einem stolzen Gerät der skandinavischen Bauart geworden.
Jetzt bin ich froh, dieses Schlachtgerät gerettet zu haben.
Morgen darf es bei mir im Büro einziehen, mein Kollege freut sich schon auf das Grundig RF-511.
Einen 3-Stunden Dauertest mußte es vorher natürlich auch noch absolvieren. Dieser verlief völlig problemlos.
Klanglich kann ich ihm leider nur ein "ausreichend" geben. Ist aber auch verständlich bei dem recht kleinen Lautsprecher.
Mein Büro hat aber auch nur 9 qm, ich denke dafür dürfte es genug Leistung und Klang bringen, ich will ja auch keine Disco veranstalten.
Leider konnte ich den Netzschalter nicht mehr reparieren, das Schaltwerk war komplett zerbrösselt. Daher habe ich in die Rückwand einen Schalter eingebaut.


Noch ein paar Bilder zum Abschluss

Viele Grüße
Frank

P.S.: Ich suche immer noch einen Knopf für die Abstimmung.

[xscotty1990]

Hi Frank,

glückwunsch zur erfolgreichen Wiederbelebung! Das Radio mag nicht den klang eines Tannhäusers haben, aber wie du bereits
geschrieben hast, reicht es für Hintergrundmusik im Büro vollkommen aus. Ich hoffe das der Empfang bei dir im Büro auch einigermaßen ist, bei uns in der Firma ist er leider sehr schlecht, sodass man nur N-Joy reinbekommt

Bzgl. des Drehknopfes steht mein Angebot natürlich noch

Grüße

Marco