Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik.

Für Einsteiger: Erste Inbetriebnahme eines Röhrenradios
Forumsregeln
Regeln
Impressum
klausw
Geographik
Geographik
Beiträge: 2661
Registriert: Di Mai 18, 2010 8:45
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: Unterfranken-W

Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von klausw »

Ich hatte gestern dieses Gerät mehrstündig auf dem OP-Tisch:
loewe opta 3952 004a.jpg
Ich muss aber vorwegschicken, dass ich leider keine Fotos geschossen habe. Meine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Patienten, der schnellstmöglich wieder in den Einsatz zurück sollte.
Das Gerät verrichtet seine Alltagsdienste im heimischen Wohnzimmer und ist seit Jahren "durchrepariert", zudem seit rund 30 Jahren in meinem Besitz.

Dennoch möchte ich hier von einem eher seltenen (?) Fehlerbild berichten.

Befund:
Es wird nur UKW gehört. Es traten jedoch seit einigen Wochen Fälle auf, in denen der scharf gestellte Sender, welcher schon rund 30 Minuten (manchmal kürzer) gehört wurde, plötzlich weg war, eine minimale Drehung am Senderrad diesen aber wieder lautstark und mit maximalem Ausschlag des MA erscheinen ließ.
Blöder Fehler, da nicht reproduzierbar.


Erste Maßnahmen:
Alle Spannungen stimmten, im Normalbetrieb.
Erneutes Reinigen der Röhrenfassungen durchgeführt sowie die Rimlockröhren im HF-Teil durchgetauscht.
Drehkolagerung feinstjustiert, Masseverbindungen am Drehko optimiert.
Paralleltrimmer im FM-Teil überprüft.
Kreisschalter der Wellenbereichsumschaltung gereinigt.

Kein Erfolg.


Entschluss zur Vorgehensweise:
Der Drehko ist ein kombinierter AM-FM-Drehko, also 4 Statorpakete. Er schien sauber, aber ich wollte der Sache auf den Grund gehen. Hineinjauchen von Reinigungsspray ist hier nicht das Mittel meiner Wahl. Also Ausbau.

Klingt einfach, ist es aber nicht, daher hier Beschreibung der Vorgehensweise.

Der Drehko sitzt gut zugänglich auf dem Chassis, direkt darunter unterhalb des Chassis sitzt allerdings das gesamte Kreisschalteraggregat mit insgesamt 4 Schalterebenen und gefühlten 5000 Anschlüssen. Zudem sind hier die Anschlüsse zu den Röhren EF42 und ECH42 sowie die Platine mit allen AM- Vor- und Oszillatorkreisen. Also schön verbaut.

Der Drehko ist mit 3 Schrauben befestigt:
2 sind oberhalb des Chassis, und zwar hinter dem Drehko. Sie fixieren eine Blechplatte, auf der der Drehko gummigelagert sitzt. Gut zugänglich.
Die 3. Schraube muss von unterhalb des Chassis aufgedreht werden, sie findet sich vor der Chassiswand, durch die die Drehknopfachse führt.

Das Drehkoseilrad ist mit 2 Schrauben auf seiner Achse befestigt und lässt sich abziehen, der Seilzug kann durch 3 aufgesteckte Wäscheklammern am Herunterspringen gehindert werden.

Der Drehko hängt jetzt nur noch an seinen Abgängen, die allerdings sehr kurz gehalten sind:
4 Abgänge für die Statorpakete plus 2 Massekabel, also 6 Kabel. An 1 Statorabgang ist unmittelbar ein Keramikkondensator angelötet.

Ablöten mitsamt den Kabeln an deren Endpunkten unterhalb des Chassis ist hier sinnvoll, da man nicht gut zwischen Drehko und Chassis löten kann. Aber genauestens die Lötpunkte und den Kabelverlauf notieren / fotografieren !!!
Ich behalf mir, in dem ich an die Ablötpunkte jeweils ein Kabelstückchen anlötete, das half mir speziell an den Kreisschaltern.

Nun wäre es eigentlich gut, der ausgebaute Drehko samt seiner Trägerplatte, auf der er mittels 3 weiteren Schrauben gummigelagert verschraubt ist, liegt vor einem und kann gereinigt / überprüft werden.

Fortsetzung folgt in Teil 2, "Die Reparatur".

k.
Sie haben keine ausreichende Berechtigung, um die Dateianhänge dieses Beitrags anzusehen.
Zuletzt geändert von klausw am So Jan 26, 2014 21:21, insgesamt 3-mal geändert.

k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
(Friedrich II.)
klausw
Geographik
Geographik
Beiträge: 2661
Registriert: Di Mai 18, 2010 8:45
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: Unterfranken-W

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von klausw »

Nun also zum 2. Teil.

Der Drehko ist ausgebaut, eine Überprüfung der Schleifringe ergab, dass alles in Ordnung und sauber war. Dennoch die ans Gehäuse genieteten Schleifer noch einmal mittels zusätzlicher gesonderter angelöteter Masseverbindung narrensicher mit Masse verbunden.

Des Drehkos Anschlusskabel hängen unten heraus.
Auffällig: Die Anschlussdrähte sind durch Keramikdurchführungen durch das Drehkogehäuse geführt; es sind dies aber, bis bei den Masseverbindungen, keine Laschen, sondern Drähte.
An diesen Drahtenden ist der Draht zu einer kleinen Schlaufe geformt und die Anschlusskabel bzw. der oben geschilderte Keramikkondensator sind dort angelötet.

Zur Isolation gegenüber der Trägerplatte des Drehko sind über diese Kabel kleine Isolierschlauchstücke geschoben, die, damit sie nicht verrutschen, mit Wachs gefüllt sind !

Klingt clever, verursacht aber im Laufe der Jahre einen elenden Schmierfilm, da das Wachs kriecht.

Also ab damit, Trägerplatte abschrauben, und alles reinigen.

Und da hatten wir dann den gesuchten Fehler !

Eins der an eine solche Schlaufe gelöteten Kabel hatte zu wenig Lötzinn abbekommen und war leicht lose. Das Ganze, wie beschrieben, schön in Fett gehüllt.

Habe dann alles nachgelötet und Schrumpfschläuche über die blanken Kabel / Lötstellen gezogen.

Wie heißt es dann immer so schön in Reparaturanleitungen: Der Zusammenbau erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.


Diesen doch etwas schrulligen Fehler wollte ich Euch nicht vorenthalten. Gesamtzeitaufwand: 2,5 - 3 Stunden.


k.

k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
(Friedrich II.)
Benutzeravatar
paulchen
Geographik
Geographik
Beiträge: 7439
Registriert: Do Nov 13, 2008 7:16

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von paulchen »

Interessante Sache.
Die Art mit Drähten am Dreko habe ich auch vor mir. Allerdings Blaupunkt-Vorkrieg.
Ich hatte genau so einen Fehler mal vor langer zeit. Da waren es die von Dir beschriebenen Schleifkontakte. Massebänder hatte ich leider keine dran. War nach dem Säubern auch erledigt.

paulchen
rettigsmerb
User gesperrt
User gesperrt
Beiträge: 5838
Registriert: Do Mär 17, 2011 16:23
Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von rettigsmerb »

Moin Klaus,

diese Fehler gehören ja schon zur Kategorie "Fehler, die kein Mensch braucht...". Glückwunsch zur gelungenen Reparatur!

So ähnlich ging es mir vor -zig Jahren einmal mit einem Fernseher (schon transistorisiert), der immer wieder sporadisch einen Bild-Aussetzfehler hatte. Ursache war eine Lötstelle auf der Platine, die zunächst völlig intakt aussah. Jedoch war der darin "verlötete" Draht offenbar schon bei der Produktion des Gerätes so stark oxydiert, dass er nur an einer winzig kleinen Stelle Kontakt gab. Über einige Jahre hinweg lief das Gerät damit, bis eben die Aussetzer kamen. Die Fehlersuche hat mich Stunden gekostet und ich staunte nicht schlecht, wie beim Erhitzen der Lötstelle plötzlich das ganze Zinn von dem Draht einfach "abperlte" und der Draht "naggisch" aus dem Lötauge schaute...

Übrigens: So einen kleinen ELAC "Bingo" Dreher wie er auf Deinem Radio steht, habe ich auch in meiner Sammlung, benutzt wird er jedoch nicht. Noch nicht einmal vorführen mag ich ihn, da ich bei dem exorbitanten Abtastgewicht Angst vor davonfliegenden Spänen habe :D
klausw
Geographik
Geographik
Beiträge: 2661
Registriert: Di Mai 18, 2010 8:45
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: Unterfranken-W

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von klausw »

Moin Herbert,

bei uns läuft der Bingo einigermaßen regelmäßig, und zwar dann über Stunden, in Verbindung mit dem Rheingold. Der Gesamtklang ist bombastisch, solange man speziell die 45er von Polydor (orangefarbenes Label) aus den 50ern abnudelt, natürlich mit zeitgenössischen Schlagern.
Caterina Valente und Co. kommen über den Rheingold besser rüber, als über viele andere Geräte, die ich mit dem Bingo kombinierte.
Der Bingo selbst war vor Jahren ein Flohmarktkauf für 6 € in Stockstadt; er wurde anschließend im Fahrradkörbchen nach Hause transportiert, mit einer neuen Nadel bestückt (Originalteil, NOS, kein Nachbau) und mit einem empirisch ermittelten Vorwiderstand versehen, damit er beim hiesigen 235 Volt-Netz die richtige Geschwindigkeit trifft. Funzt, wie gesagt, bestens.

Gruß
k.

k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
(Friedrich II.)
Benutzeravatar
röhrenradiofreak
Geographik
Geographik
Beiträge: 10250
Registriert: Do Dez 27, 2007 23:19
Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: östliches Niedersachsen

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von röhrenradiofreak »

Dass die Drehzahl eines Plattenspielers von der Höhe der Netzspannung abhängt, ist so nicht richtig.

Die älteren Plattenspieler haben fast alle einen Spaltpolmotor. Dieser läuft mit einer Drehzahl, die von der Netzfrequenz abhängt, nicht von der Netzspannung. Also fast wie ein Synchronmotor.

Nun kommt es vor, dass zum Beispiel die Motorlager schwergängig geworden sind. Dann erreicht der Motor nicht mehr seine Solldrehzahl. Er läuft also zu langsam und die Drehzahl hängt auch von der zugeführten (Netz-) Spannung ab.

Wenn die Drehzahl von Plattenspielern von der Netzspannung abhängen würde, müsste die Drehzahl mit einer Feinjustierung oder Regelung auf den Sollwert gebracht werden. Sonst wäre das Schallpattenhören kein Genuss, weil die Netzspannung um +/- 10% schwanken kann.

Lutz
klausw
Geographik
Geographik
Beiträge: 2661
Registriert: Di Mai 18, 2010 8:45
Kenntnisstand: Weitergehende Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: Unterfranken-W

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von klausw »

Auch wenn der thread jetzt OT wird....

Klingt plausibel, Lutz.
Aber der Bingo lief nicht zu langsam, etwa wegen verharzter Lager, sondern zu schnell.
Mit dem Vorwiderstand läuft er auch über Stunden mit vernünftiger Drehzahl.
Keine Ahnung, warum das funzt, aber Hauptsache er läuft, wie er soll.

p.s.: mein Telefunken Plattenspieler meiner ersten Stereoanlage aus den 80ern hatte einen solchen Drehzahlregler. Der Plattenteller hatte am Rand eine Stroboskopmarkierung, die von einer Glimmlampe angestrahlt wurde. Ein kleiner Regelknopf gestattete genau die erforderliche Anpassung der Drehzahl.

Gruß
k.

k. steht für klaus

Kenntnisse kann jeder haben, aber die Kunst zu denken ist das seltene Geschenk der Natur.
(Friedrich II.)
Benutzeravatar
röhrenradiofreak
Geographik
Geographik
Beiträge: 10250
Registriert: Do Dez 27, 2007 23:19
Kenntnisstand: Sehr gute Kenntnisse (Hobby)
Wohnort: östliches Niedersachsen

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von röhrenradiofreak »

Manche Plattenspieler hatten so eine Einstellung. Sie diente hauptsächlich dazu, die durch mechanische Toleranzen immer noch vorhandenen geringen Abweichungen zu beseitigen. Oder in besonderen Fällen die Drehzahl gewollt zu verändern, um z.B. die Tonhöhen oder die Geschwindigkeit an eine andere Quelle (zweites Musiksignal, Musikinstrument,...) anzupassen.

Lutz
Benutzeravatar
Ralph
Kuba Komet
Kuba Komet
Beiträge: 1959
Registriert: Mo Apr 28, 2008 21:51
Kenntnisstand: **Zutreffendes Feld fehlt**
Wohnort: Aachen

Re: Reparatur "am offenen Herzen": Rheingold 3852

Beitrag von Ralph »

Dann antworte ich noch einmal "in topic" und bedanke mich bei Klausw für seine Beschreibung dieses eher exotischen Fehlers und seiner Beseitigung.

Man lernt eben nie aus, was mir als Seiteneinsteiger dieses Forum so liebenswert macht :D !

Gruß Ralph
Und klingt der Netzbrumm schauerlich, das Radio spricht: NOCH LEBE ICH!