Kleiner Franzose

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Walterh
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Kleiner Franzose

Beitrag von Walterh »

Hallo

Hier will ich nicht gross auf das Gerät selbst eingehen, sondern aufzeigen, wie man von (moderner) Messtechnik hinters Licht geführt werden kann: Wer misst, misst Mist!

Das Gerät im Fundzustand:
Franzose_1.jpg
Franzose_2.jpg
Und da ging erst mal gar nichts mehr. Ein Ersatz der defekten Papierkondensatoren brachte keinen Empfang. Oszillatorschwingungen konnten nachgewiesen werden, der NF-Teil ging. Auf Einstecken der Antenne reagierte das Gerät mit Störgeräuschen.

Also ZF-Becher auf und Kontrollieren:
Franzose_4.jpg
Alles OK, oder?
Franzose_5.jpg
Eben nicht! Die defekten Glimmer-C's ersetzt und das Gerät spielte.
Franzose_7.jpg
Mein Fazit: auch Multimeter im mittleren bis oberen Hobby-Preissegment taugen für Kapazitätsmessungen nichts!

Gruss, Walter
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achim1
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von achim1 »

Die Erfahrung hab ich auch schon gemacht und deshalb fliegen sie alle grundsätzlich raus.

Gruß,
Achim
radioschrat
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von radioschrat »

Da helfen noch nicht einmal die zeitgenössischen digitalen Kapazitätsmessgeräte.

Dieses Zeug lässt sich nur mit höheren Spannungen prüfen. Einfachste Variante ist eine Gleichspannungsquelle, die irgendwas um die 100 Volt liefert, und eine Reihenschaltung aus dem zu prüfenden Kondensator, einem Widerstand von ein paar Kiloohm und einer Glimmlampe. Wenn die Glimmlape nach dem Schließen des Stromkreises dauernd leuchtet, ist der Kondensator hinüber.

Ralf
Und wenn ich nicht mehr weiter weiß, dreh ich am Oszillatorkreis.
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von röhrenradiofreak »

Und schon wieder komme ich auf die Messreihe zurück, die ich vor ein paar Jahren gemacht habe. Dese zeigte, dass manche Kapazitätsmessgeräte bei Kondensatoren mit schlechter Isolation extrem falsche Werte anzeigen, weil ihr Messverfahren damit nicht klar kommt. Wer's nicht glaubt, der schalte mal einem einwandfreien Kondensator einen Widerstand mit einigen M Ohm parallel. Das Kapazitätsnessgerät wird nun eine mehr oder weniger stark erhöhte Kapazität anzeigen, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist.

Ganz gemein wird es, wenn der Kondensator sowohl unter Kapzitätsverlust als auch unter schlechter Isolation leidet. Dann kann es passieren, dass das Messgerät einen Wert im Toleranzbereich anzeigt. So war es wohl bei Deiner ersten Messung.

Zum Messverfahren mit der Glimmlampe: So ähnlich mache ich das im Prinzip auch, nur verwende ich statt der Glimmlape ein FET-Multimeter, das schon Ströme im nA-Bereich anzeigen kann.

Lutz
Walterh
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von Walterh »

Einspruch Euer Gnaden!

Kein Multimeter und auch kein einfaches ESR-Testgerät (z.B. das als Bausatz im RM.org dokumentierte und damals als Bausatz angebotene Gerät, das ich selbst besitze und sehr schätze), liefert bei Glimmerkondensatoren, generell bei Kondensatoren mit niedrigen (pF-) Werten, brauchbare Werte.

Das vorher Gesagte von Lutz und Ralf gilt m.E. (nur) bei den typischen Papierkondensatoren ab einem gewissen Kapazitätswert.

Daher meine vorstehende Doku/Info.

Gruss, Walter
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von saarfranzose »

Glimmerkondensatoren sind ein Fall für sich. Hier verändert sich kein Dielektrikum. Sie fallen aus durch Oxidation und damit Kontaktproblemen. Sind sie mit einer Wachsschicht versiegelt laufen sie ewig mit guten Werten. Ich tausche sie auch nicht grundsätzlich, sondern nur einzelne im Fehlerfall, was nicht oft vorkommt.
Gruß,
Jupp
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von röhrenradiofreak »

Welche Nennkapazität haben die Kondensatoren, um die es hier geht, eigentlich?

Es gibt durchaus Kapazitätsmessgeräte, die Kapazitäten im pF-Bereich korrekt anzeigen können. Ich besitze so eines, es ist von B+K Precision bzw. Dynascan Corporation. Der niedrigste Kapazitätsmessbereich geht bis 1 nF, mit einer Auflösung von 0,1 pF. Durch einen entsprechenden Einsteller kann man auch die Kapazitäten der Messleitungen eliminieren.

Bei dem Multimetern, die auch einen Kapazitätsmessbereich haben, ist das anders - zumindest bei denen, die ich bisher gesehen habe. Die sind bei Kapazitäten im pF-Bereich so ungenau, dass die Messung überhaupt keinen Sinn mehr macht.

Lutz
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von saarfranzose »

die Glimmer die ich meine gehen bis ein paar hundert pF. Sie kommen nur in den HF Stufen zum Einsatz. Da sie direkt den Abgleich beeinflussen macht sich eine Werteänderung gleich bemerkbar.

hier grad ein aktuelles Bild des neulich vorgestellten Le Regional 9AR:
Glimmer_P1080702.jpg
evtl. ist es nicht die Bauart die Walter in den ZF Filtern vorgefunden hat.
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Gruß,
Jupp
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von röhrenradiofreak »

Dann liegt das Problem nicht darin, die Kapazität korrekt zu messen, sondern darin, dass Kapazitätsänderungen, auch innerhalb des Toleranzbereiches, den Abgleich verändern. An manchen Stellen kann dann der Empfang so stark in die Knie gehen, dass man von einem "echten" Bauteildefekt ausgeht.

Walter berichtete aber, er habe die betreffenden Kondensatoren ersetzt, und danach habe das Gerät wieder gespielt. Dabei stellt aich die Frage, mit oder ohne Neuabgleich?

Lutz
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von Walterh »

Hallo Lutz

Jupp hat es auf den Nenner gebracht. Bei Glimmerkondensatoren kennt man keine Veränderung des Dielektrikums. Aber durch Silbermigration Kapazitätsverluste. Öfter auch Probleme mit den Vernietungen mit teils irrem Verhalten.

In den ZF-Kreisen werden meist Parallel-C's mit ca. 2 % Toleranz verbaut - so auch hier.

Zum konkreten Fall: das (nicht billige) Multimeter zeigte den Sollwert von 0.18 nF (entsprechend dem auf dem Bauteil aufgedruckten Wert von 180 pF).

Das LCR-Messgerät dagegen wies für den fraglichen Kondensator nur noch 0,6 pF aus!

In diesem kleinen Franzosen fanden sich in den ZF-Filtern vier Glimmer-C's: 1 x 120 pF, 3 x 180 pF. Zwei der 180 pF waren völlig daneben, hatten krassen Kapazitätsverlust. Der dritte und der mit 120 pF waren genau werthaltig.

Nach Ersatz der zwei defekten C's spielte das Gerät einwandfrei. Ein Neuabgleich war nicht nötig (!) - hätte ich aber nicht engtolerierten Ersatz verbauen können, dann wäre das wohl anders gewesen.

Das zeigt aber auch einmal mehr: das Fummeln am Abgleich an Stelle der Fehlersuche und -Behebung ist meist falsch.

Allgemein wollte ich aber darauf hinweisen, dass die üblichen Multimeter, auch aus der hobbymässigen Mittelklasse, welche ja bekanntermassen bei Kondensatoren mit schlechtem ESR schon falsche, überhöhte Werte zeigen, für niedrige Kapazitäten meist auch völlig falsche Werte liefern - also für unsere Zwecke zur Beurteilung von Kondensatoren unbrauchbar sind.

Gruss, Walter
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Re: Kleiner Franzose

Beitrag von röhrenradiofreak »

In einem Philips D61 von 1939 sind mir vor einigen Jahren etliche Kondensatoren dieser Bauart begegnet, alle mit kleineren Kapazitätswerten (bis 400 pF). Sie litten alle unter teilweisem oder totalen Kapazitätsverlust, was mit meinen beiden Kapazitätsmessgeräten (das oben genannte und ein Eigenbau) problemlos auszumessen war. Nach deren Ersatz durch engtolerierte keramische Rohrkondensatoren und der Beseitigung einiger weiterer Fehler spielte das Radio, als ob nichts gewesen wäre.

Fragt sich nur, warum Dein Multimeter gerade den Sollwert anzeigte, der ja offensichtlich gar nicht vorhanden war. Allerdings habe ich auch schon bei einem relativ teuren Multimeter (Fluke 189) feststellen müssen, dass der Kapazitätsmessbereich nicht das Gelbe vom Ei ist. Sowohl bei kleinen Kapazitäten als auch bei isolationsschwachen Papierkondensatoren zeigte es völlig abstruse Werte an.

Lutz