Ursprünglich wollte ich mir einen Volksempfänger zulegen, um eine eigene kleine Röhrenschaltung darin zu verwirklichen. Da aber kurioserweise die Volksempfänger gerade einen doppelt so hohen Kurs wie andere (damals hochwertigeren) 30er-Jahre-Radios haben, schoß ich einen Telefunken 512WL, der technisch eng verwandt mit dem VE301W Dyn ist. Als Extra gegenüber dem 301 dyn hatte der 512WL eingebaute Sperrkreise (LW und MW) mit 3 Kopplungsstufen und einen Tonabnehmer-Eingang, einen Tonblenden-Schalter und automatische Lichtantenne (Antennenstecker raus, Netzphase wird als Antenne genommen).
Was ich möchte:
Ich möchte keine Restauration, da ich keine Lust auf den Zwang zu 80 Jahre alten Originalbauteilen mit dutzenden sporadischen Fehlerquellen habe, sowie gebrauchte Originalröhren für 30 Euro das Stück. Also komplette Entkernung des Gerätes. Nur Drehko, Spulensatz und Wellenschalter bleiben.
Das Gerät soll wirtschaftlich, zuverlässig und sicher zu betreiben sein, also nagelneue Bauteile, billige und neuwertige Röhrentypen und neuer Netztrafo.
Das grundsätzliche Empfangsprinzip des Gerätes soll beibehalten werden, Enkreiser mit Rückkopplung, 0V1.
Nachdem ich wochenlang bei Jan Wüstens und Pollin stöberte, schoß ich 6 Stück 5HC7. Das sind Compactron-Doppeltrioden mit 2 sehr unterschiedlichen Systemen in einem Glaskolben.
Mir hat die gedrungene Stahlröhren-ähnliche Form der Röhren gleich gefallen. Der Getterspiegel ist seitlich so daß nach oben die Kathodenröhrchen hell herausleuchten.
Die Heizspannung beträgt 5,6V so daß man übliche 6V Printtrafos verwenden kann.Wenn die Katode glüht, freut sich das Gemüt. Dietrich Drahtlos
Das high-µ-System eignet sich für das Audion, das low-µ-System als Lautsprecherröhre. Da die Verstärkungsreserve von 2 Trioden zu niedrig ist, verwende ich 2 dieser Röhren, wobei beim Audionteil die beiden Kleinsignaltrioden ein Cascoden-Audion bilden (populär für Kurzwelle in den 50ern/60ern), und die beiden Hochstrom-Trioden bilden eine SRPP-Endstufe ähnlich wie bei den eisenlosen Philips-Endstufen mit den EL86. Nur daß ich natürlich einen 100V-Übertrager und einen 8Ohm-Lautsprecher verwende, was ein hartaufgehängter PA-Typ mit 95dB/1W/1m sein wird damit so richtig die Post abgeht. Der originale elektrodynamische Lsp. hat übrigens Schwingspulenunterbrechung.
Netzteil:
Für den Netzteil verwende ich wahrscheinlich einen 30VA Trenntrafo und eine relativ günstige antike UY4. (ich habe lange mit mir gerungen ob ich Halbleiter im Netzteil erlauben soll -> nein) Deren Heizstrom (+ 2 Skalenlampen in Reihe) kann ich von der 115V-Anzapfung mit Vorkondensator abgreifen, wenn der Trafo die kapazitive Blindleistung nicht übel nimmt. Ansonsten geht ein 18+18V-4VA Trafo, aber 2 Heiztrafos im Gerät sind mir etwas zu viel.
Zu den Doppeltrioden: Damit die Spannungsfestigkeit Faden-Katode nicht auf die Probe gestellt wird, verwende ich von vornherein einen Heiztrafo mit 2 getrennten 6V Wicklungen. Eine Doppeltriode beherbergt die oberen beiden Trioden, die andere die unteren. Somit können sie potentialgetrennt beheizt werden, und die obere Endröhre muß zwischen Faden-Kathode nur den NF-Spannungshub von einigen 10V aushalten, da auch der obere Heizkreis über einen Symmetrierpoti und einen kleinen Kondensator NF-mäßig auf Masse gelegt wird.
Endstufe:
Damit eine SRPP-Stufe wirklich im Gegentakt arbeitet, muß der obere Katodenwiderstand in einem optimalen Verhältnis zum Lastwiderstand stehen, denn der Laststrom steuert die obere Röhre. Damit der statische Arbeitspunkt davon nicht beeinflußt wird, habe ich einfach eine variable NF-Katodenkopplung via Poti und Kondensator eingefügt. Der arbeitspunktbestimmende Katodenwiderstand von 56 Ohm ist mit Sicherheit zu gering. Abgeglichen wird nach Gehör nach maximaler Lautstärke und bestem Klang.
Diese SRPP-Endstufe soll übrigens keinen Hifi-Ansprüchen genügen sondern maximale Verstärkungsreserve bieten, daher ist der untere Katodenwiderstand NF-mäßig überbrückt, wie bei Philips-Eisenlos.
So, jetzt zum Schaltungsentwurf. Die Bauelemente dimensioniere ich später. Der geübte Dampradiofreak kennt die ungefähre Größe der üblichen Verdächtigen schon ungefähr.