Der EDLY Kleinempfänger - DKE-Nachfolger

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Jean_Berlin
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Der EDLY Kleinempfänger - DKE-Nachfolger

Beitrag von Jean_Berlin »

Hallo zusammen,

eigentlich wollte ich ja keine Radios mehr beim Trödler kaufen, und einen DKE habe ich schon. Bei näherem Hinsehen fiel mir bei dem Radio im Schaufenster allerdings das fehlende Hakenkreuz (nicht dass ich es vermisst hätte) und der gute Zustand dieses Kleinradios auf.

Ich ging also doch in den Laden, guckte etwas rum und fand zunächst noch einen Taschenfernseher(winzige CRT mit Radio) aus den späten Siebzigern für 5,-; aber dazu dann an anderer Stelle mehr.

Also der DKE war ein gut erhaltener EDLY-Kleinempfänger, ich schätze von etwa 1949/50, offenbar hatte die Berliner Firma Edly von Fritz Rhode nach dem Krieg mehrere Modelle und Varianten auf DKE-Basis hergestellt.

Die Preisverhandlungen gestalteten sich einfach:
"Watt solln die Joebbels-Schnautze kosten?"
"achzich"
"Hab aba keen Hakenkreuz!"
"Watt nich? Najut vierzich"
"Jeht der denn übahaupt noch"
"Keene Ahnung Mann, nimm mit für zwanzich"
"Najut"

Also das ist das gute Stück, so wie ich es bekommen habe:

Bild

Ohne Reichsadler und Hakenkreuz merkt man erst mal, dass das ein wirklich schönes einfaches Design ist:

Bild

Die Rückwand ist schlichter Pappkarton, wesentlich unstabiler als normale Radiorückwände:

Bild

Innen drin fiel zunächst die Röhrenbestückung (nur eine UCL81) auf und dass der Magnet von der Volkströte abgerissen war.

Bild

Ein Blick auf das Chassis zeigt noch mehr Änderungen zum Kriegs-DKE:
Ein Doppelelko mit 2 x 8 MFd Marke "Kleinelyt", bei dem alle vier Anschlüsse herausgeführt sind.
Ausserdem ein Trockengleichrichter (wieso heisst das eigentlich so, Röhrengleichrichter sind doch auch nicht nass, nicht mal Quecksilber würde ich nass nennen, bestenfalls flüssig), der auf den ersten Blick für einen Kondensator gehalten werden könnte (das schwarze Teil neben dem Doppel-Elko).

Der Spulensatz ist moderner, kleiner und der Netzschalter ist nicht mehr die bekannte Wackelkonstruktion. Der hier verwendete Netzschalter ("Bruchfest" bestempelt aber defekt) wurde in mehreren Edly-Geräten verwendet, ebenso die anderen abweichenden Teile. Ich vermute daher, dass das alles "original" ist. Der DKE-Heizungs-Vorwiderstand wurde "verlängert" um die abweichenden Bedürfnisse der UCL81 zu befriedigen.

Bild

Bild

Ausserdem sind nur zwei Antennenbuchsen vorhanden und der Entbrummer wurde durch einen 200-Ohm Festwiderstand ersetzt. Ebenso ist die Drossel einem 1,6K-Widerstand gewichen. Es ist kein Netz-Brummen hörbar, daher ist das mehr als nur eine Einsparung.

Da ich nicht nicht viel verändern wollte, habe ich(nachdem ich den Lautsprecher problemlos reparieren konnte) nur den Doppel-Elko und ein paar "wichtige" Kondensatoren neu befüllt (ganz neues Befüllgefühl, seit ich den schwarzen Heisskleber habe) und das Radio dann einige Stunden mit 110-Volt betrieben (Heizwiderstand entprechend gebrückt) und mich dann mit dem Trennstelltrafo an die 230V gewagt.

Seitdem spielt der Kleine ohne Probleme und mit wesentlich besserer Leistung als der original DKE, den ich kürzlich komplett restauriert hatte. Klang, Lautstärke, Empfangsleitung und Rückkopplungseinsatz sind um einiges besser, als beim alten DKE. Es ist also offenbar gleichzeitig ein Not-/Ersatz-Radio, aber auch eine Weiterentwicklung.

Die Knöpfe scheinen übrigens auch die "Originalen" zu sein, da ich im Netz die gleichen an anderen Edly-Radios gesehen habe.

Das ist ein schönes kleines Radio.

Grüsse aus Berlin,
Jean
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GeorgK
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Beitrag von GeorgK »

Hallo Jean,
-Schöner Bericht -

dette is aba een dufter Preis.........

Häät ik oooch jenommn.

Schön zu Restaurieren. Unsere "Worscht-Köpp" in Hessen wollen zuviel dafür.

Schöne jrüsse nach m Kudamm wende maa druff loofn tust.
Der Arbeitsplatz
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Matthias Claudius
Grüsse Georg
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Rocco11
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Beitrag von Rocco11 »

Hallo,

interessantes Gerät! Glückwunsch zu dem günstigen Preis. :)
Ausserdem ein Trockengleichrichter (wieso heisst das eigentlich so, Röhrengleichrichter sind doch auch nicht nass, nicht mal Quecksilber würde ich nass nennen, bestenfalls flüssig)
In den Anfangszeiten der Elektro-/Radiotechnik gab es auch "Elektrolytische Gleichrichter", - und die waren eben "naß". :D
Diese bestanden aus einem Glas (Einmachglas, o.ä.), welches mit einer Sodalösung gefüllt war. In die Flüssigkeit ragten zwei Platten, - eine aus Alublech und eine aus Eisenblech. Damit hatte man einen Einweggleichrichter für etwa 35V Wechselspannung.
Diesen Gleichrichter konnte jeder Bastler zuhause herstellen. Vier solche Anordnungen konnten natürlich zu einer Brücke geschaltet werden.
Für den Einsatz in Radiogeräten eher ungeeignet, da a) zu groß, b) nicht lageunabhängig, c) es tritt Gasentwicklung auf.

Gruß

Rocco11
The Times They Are A Changin' (Bob Dylan)
http://www.youtube.com/watch?v=PZUL6cPc26g&feature=related
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Christopher
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Beitrag von Christopher »

Hallo!

Glückwunsch zu dem schönen Radio! Sowas gefällt mir auch sehr gut. Ein Zwanni war wirklich sehr günstig.
Es ist also offenbar gleichzeitig ein Not-/Ersatz-Radio, aber auch eine Weiterentwicklung.
Das Radio ist alles andere als ein Notzeitradio. Die UCL81 ist Original, alternativ gab es das Gerät auch für Batteriebetrieb mit D90er-Röhren oder soagr in weiß.
Da es die UCL81 erst ab 1952 gab handelt es sich hier um das Modell von 1952/ 53! Edly hat diese "DKE's" noch sehr lange gefertigt, es war damals das billigste Radio überhaupt.

Gruß Christopher :)
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Volker
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Beitrag von Volker »

Hallo Jean!

Auch ich sage >Glückwunsch< zu dem Gerät und den gelungenen Bericht.
Vor allem sieht das Äußere noch ansprechend aus.
MfG Volkmar

Alle Stufen schwingen, nur der Oszillator nicht !
Jean_Berlin
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Beitrag von Jean_Berlin »

Hallo zusammen,

vielen Dank für die freundlichen Worte und vielen Dank an Rocco11 und Christopher für die Erklärungen zu Nassgleichrichtern und Baujahr.

Inzwischen habe ich dem Radio noch eine neue UCL81 (Telefunken, neu aus der Packung, billig bei ebxx gekauft) gegönnt. Die Alte war so gerade noch im "Gut"-Bereich mit beiden Systemen. Mit der Neuen ist der Empfang noch um einiges besser.

Viele Grüsse aus Berlin,

Jean