Ersatz Germanium-Transistoren

Fragen, Berichte und Tipps zu Reparatur und Technik für frühe Transistorgeräte bis in die 1970er Jahre.
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mrossx
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Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von mrossx »

Hallo zusammen,

ich habe hier einen älteren 16mm-Filmprojektor, der ein wenig rauscht.
Einem anderen Modell hatte ich das bereits erfolgreich abgewöhnt, dort lag es an den alten Germanium-Transistoren. Nach Tausch gegen Si-Transistoren und Neuabgleich lief es wieder wunderbar sauber.

Schaltplanausschnitt (minimal modifiziert zu Vereinfachung, nicht relevante Teile wurden entfernt.. daher nicht wundern über die Schalter "M" im Signalpfad, einfach als immer geschlossen annehmen) hängt an.

Bei diesem Modell gestaltet es sich etwas schwieriger. Das Rauschen erzeugen hier T11, T12, T14, T15. Schritt 1 ist dabei immer, erstmal die Funktion zu verstehen und den Arbeitspunkt zu bestimmen - hier bei T11 und T12 kein Problem. Bei T14 und T15 wird es schon interessanter.... kann mir jemand erklären, wie sich hier der Arbeitspunkt ergibt?
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röhrenradiofreak
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Re: Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von röhrenradiofreak »

Nicht immer sind Transistoren selbst die Ursache für Rauschen. Auch Widerstände und andere Bauteile neigen mitunter dazu, und auch Kriechströme in Leiterplatten, Schaltern usw. können Rauschen erzeugen. Wenn die Ursache kein einzelnes Bauelement, sondern ungeschicktes Schaltungsdesign ist, bringt ein Tausch von Bauelementen sowieso bestenfalls wenig.

Wenn ein Transistor (oder ein ein anderes Bauelement) rauscht, ist das temperaturabhängig. Durch Abkühlen der verdächtigen Bauteile mittels Kältespray findet man das Bauteil, das das Rauschen erzeugt, und kann es dann gezielt austauschen.

Wenn das Rauschen tatsächlich von einem Transistor erzeugt wird, ist Ersatz durch einen Siliziumtransistor ein möglicher Weg. Weil dabei alle möglichen Komplikationen auftreten können, und im Interesse des originalgetreuen Zustandes verwende ich aber wieder Germaniumtransistoren. Ist die Ursache für das Rauschen ein Bauteilfehler, genügt ein 1:1-Tausch gegen den gleichen Typ. Für Eingangsstufen und hartnäckige Fälle gibt es auch rauscharme Germanium-Transistoren, die man teilweise an einem Buchstaben r am Ende der Typenbezeichnung erkennt.

In Deiner Schaltung ist die Schaltung um T14 und T15 etwas komplizierter, weil zwei Gegenlopplungen vorhanden sind: eine Wechselspannungsgegenkopplung vom Ausgang zum Emitter von T14 (für den Gleichstrom-Arbeitspunkt nicht relevant), diese dient der Minimierung von Verzerrungen, und eine Gleichspannungsgegenkopplung vom Emitter von T15 zur Basis von T14, die der Arbeitspunktstabilisierung und der Festlegung der Gesamtverstärkeung dient, außerdem befindet sich dort der Klangregler P13. In einer solchen Schaltung kann es leicht zu Problemen wie Schwingneigung etc. kommen, wenn man Bauelemente mit abweichenden Eigenschaften, insbesondere mit höherer Verstärkung oder höherer Grenzfrequenz, einsetzt, deshalb würde ich das nicht tun. Das Rauschen entsteht sowieso hauptsächlich im Bereich der Eingangsstufen (T11, T12), was mit dem Lautstärkeregler P11 leicht festzustellen ist: Wenn er auf 0 gestellt wird, sollte das Rauschen nahezu verschwinden.

Lutz
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Bosk Veld
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Re: Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von Bosk Veld »

mrossx hat geschrieben:Bei T14 und T15 wird es schon interessanter.... kann mir jemand erklären, wie sich hier der Arbeitspunkt ergibt?
Hallo,

die Spannung zwischen Emitter und Kollektor von T14 beträgt ca. 0,7V (2 * Ube für Germanium-Transistoren).
Nehmen wir mal an, die Spannung an Kreis 15 sei -12V, und die Basisströme seien vernachlässigbar klein.
Dann ergibt sich an T15 ein Emitterstrom von (-12V + 0,7V)/(8k2 + 10k033) = -620µA .
Ue(T14) = -620µA * 10k033 = -6,22V .
Ub(T14) = Ue(T14) - 0,35V = -6,57V .
Der Emitter von T15 hat quasi die gleiche Spannung wie die Basis von T14: Ue(T15) = -6,57V
Also fließt durch R4/R5 ein Strom von -6,57V / 5k682 = -1.156mA .
Dieser Strom sorgt am Kollektor von T15 für eine Spannung von -12V - (-1,156mA * 2k4) = -9,23V .

Jetzt setzen wir zwei Siliziumtransistoren mit jeweils 0,7V Ube ein und rechnen nochmal:

Dann ergibt sich ein Emitterstrom von (-12V + 1,4V)/(8k2 + 10k033) = -581µA .
Ue(T14) = -581µA * 10k033 = -5,83V .
Ub(T14) = Ue(T14) - 0,7V = -6,53V .
Und damit: Ue(T15) = -6,53V
Durch R4/R5 fließen dann -6,53V / 5k682 = -1.150mA .
Spannung am Kollektor von T15: -12V - (-1,150mA * 2k4) = -9,24V .

Der Arbeitspunkt ändert sich also nicht wesentlich.

Gruß, Frank
Zuletzt geändert von Bosk Veld am Mo Sep 03, 2018 13:21, insgesamt 1-mal geändert.
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mrossx
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Re: Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von mrossx »

Hallo,

Dank euch beiden für eure sehr hilfreichen Antworten!

Ich denke in dem Fall liegt es tatsächlich an den Transistoren. Das "es müssen nicht immer die Transistoren sein" hatte ich mir beim vorigen (erwähnten) Projekt schon gedacht, und da mal der Einfachheit halber alle Elkos (ohnehin ural) und Widerstände (Uralt-Kohleschicht) getauscht. Nach Tausch aller Teile waren es dann, richtig: die Transistoren - quasi die einzigen Bauteile die ich noch nicht getauscht hatte. Im dortigen Verstärker waren es bereits r-Typen. Ich hatte da schon einiges recherchiert, und es scheint wohl tatsächlich generell so zu sein dass Ge-Transistotren ganz gerne altern. Kauft man New-Old-Stock-Ersatz, dann hat man das gleiche Problem (potentiell) wieder. Nein, dann schon lieber (wo möglich) eine Lösung mit den für diese Anrwendung deutlich besseren Si-Transistoren. Das Gerät ist jetzt auch nicht derart audiophil oder selten dass ich da Bauschmerzen hätte. Es ist ein Gebrausgegenstand, aus dem ich bestmögliche Tonqualität herausholen möchte.

Das Rauschen hatte ich (wie von Lutz vorgeschlagen) bereits mittels Lautstärke-Poti-Bedienung und auch Auftrennen von Stufen eingekreist: es kommt aus eben diesen 4 Transistoren, und zwar läppert es sich. Jede Stufe trägt dazu bei, hört man ganz deutlich.

Dank Dir auch Frank für die Berechnung - das muss ich in den nächsten Tagen in ein paar ruhigen Minuten nochmal in Ruhe Schritt für Schritt nachvollziehen (aktuell fehlt mir grade die Muße). Das lässt ja hoffen. Möglicherweise ist der Umbau damit sogar sehr einfach dann. Ähnliche Erfahrung hatte ich übrigens mit dem erwähnten, vorigen Ge-nach-Si-Projekt gemacht: hier hatte ich es durchgerechnet und bin darauf gekommen dass die Arbeitspunkte praktisch gleich bleiben. Das hat sich dann beim schrittweisen Tausch (Stufe für Stufe, von hinten her arbeitend, jeweils mit Messung vorher/nachher) in der Praxis bestätigt.
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Re: Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von röhrenradiofreak »

mrossx hat geschrieben:... und zwar läppert es sich. Jede Stufe trägt dazu bei, hört man ganz deutlich.
Sicher trägt jede Stufe zum Gesamtrauschen bei. Aber die Gewichtung ist unterschiedlich: dadurch, dass das Rauschen der Eingangsstufen von den folgenden Stufen mitverstärkt wird, ist es am Ausgang lauter. Deshalb sind Eingangsstufen bezüglich Rauschen immer am kritischsten. Oft muss man nur die Eingangsstufe betrachten, weil die folgenden Stufen so wenig zum Gesamtrauschen beitragen, dass es keine Rolle mehr spielt.

Lutz
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Re: Ersatz Germanium-Transistoren

Beitrag von Klarzeichner »

Lutz und Frank haben alles wichtige gesagt. Kleine Ergänzung: Der einzelne Übeltäter lässt sich leichter identifizieren, wenn man seinen Arbeitswiderstand mit einem Kondensator (ca 0,5µ) überbrückt und beobachtet, wie sich das Rauschen verringert.

Da längst nicht alle Ge-Transistoren rauschen, lohnt sich sehr wohl ein Ersatz, auch gegen Altexemplare.

Gruß + viel Erfolg
Stefan